Erdöl als politische Waffe
Also, wie sind wir zu einem Ölpreis von 20 US-Dollar pro Barrel gekommen? Hier ist eine kurze Geschichte, für diejenigen, die darüber noch nicht Bescheid wissen.
Die beiden Unglücke — der stark gesunkene Ölpreis und das grassierende Coronavirus, der sich die Ansteckung auf neue Kontinente ausbreitet — haben sich gegenseitig verstärkt und bringen die Welt an den Rand einer schweren globalen Rezession.
Im Jahr 2020 mit Erdöl und seinen Weltpreisen ist es schon zu viel passiert. Wie gesagt, der erste und wichtigste Faktor für den Rückgang des Ölpreises war die weltweit sinkende Öl-Nachfrage aufgrund des Coronavirus. In vielen Ländern steht das Alltagsleben mehr oder weniger still, entsprechend wird auch deutlich weniger Roh- oder Heizöl beziehungsweise Treibstoff verbraucht. So fielen die Ölpreise bis März unter 40 US-Dollar pro Barrel, wo ihre Stabilisierung erwartet worden wäre, da die 14 Mitglieder der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) und zehn weitere wichtige Förderstaaten, allen voran Russland, Anfang März in Wien zu ihrem geplanten Treffen zusammenkommen mussten, um Maßnahmen zur Stabilisierung des Erdölmarktes einzuleiten.
Alles lief nicht nach Plan, nachdem Russland sich geweigert hatte, das Abkommen zu verlängern. Der Verschwörungstheorie zufolge hat Präsident Wladimir Putin mit einem solchen Schritt beschlossen, die US-Ölförderung, die dem Ölkartell OPEC nicht gehorcht, schachmatt zu setzen. Da die US-Energieinformationsbehörde (EIA) Mitte Januar hatte vorausblicken lassen, dass die Ölförderung der Vereinigten Staaten, wo die Schieferölförderung dominiert, in diesem Jahr in neue Rekordhöhen getrieben werde – auf 13,3 Millionen Barrel pro Tag (1,06 Millionen Barrel pro Tag mehr als 2019). Ob das so ist oder nicht, ist es schon egal. Am Tag nach diesem Treffen wachten wir in einer neuen Welt auf – der Welt der Ölkriege.
Da sich Saudi-Arabien und Russland nicht auf neue Öl-Produktionsbeschränkungen einigen konnten, mussten sich die 14 OPEC -Mitglieder und die 10 Kooperationspartner ab dem 1. April 2020 nicht mehr an irgendwelche Limits halten. Deswegen erklärte Saudi-Arabien einen sogenannten Preiskrieg und gab dann das Versprechen, den Markt mit billigem Rohöl zu überschwemmen und ein beispielloser Kampf am Ölmarkt um Marktanteile von anderen Spielern zu gewinnen.
Wegen des Preiskrieges zwischen Saudi-Arabien und Russland waren die Brent Rohölpreise Mitte März auf unter 25 US-Dollar pro Barrel abgestürzt. Nicht zu fassen, aber dieser Preiskampf hat den Ölpreis in den Keller rauschen lassen. Es ist ein fürchterlicher Albtraum: Das tiefste Preisniveau seit 18 Jahren!
Am 2. April 2020 erklärte Saudi-Arabien, nicht nur die OPEC, sondern auch Nicht- OPEC-Produzenten müssten dringend getroffen werden, um Maßnahmen zur Lage auf dem Energiemarkt zu ergreifen. Angesichts des Preiscrashs auf dem Markt war ein solches Treffen erwartet worden, da Saudi-Arabien in einer kostspieligen ökonomischen Umbruchphase gesteckt hat.
Für Saudi-Arabien bedeutete der Beginn der Verhandlungen eine kleine Niederlage, da sie sich ganz andere Pläne ausgedacht hatte. Der OPEC-Meeting war für den 6. April in einem Videokonferenzformat geplant. Im letzten Moment wurde das jedoch auf den 9.April verschoben, weil Moskau und Riad streiten, wer für den Markteinbruch verantwortlich ist.
Infolgedessen haben sich die größten Ölproduzenten die Produktion auf eine Verringerung der Ölförderung um 15% verständigt. Das heißt, dass die Teilnehmer der Sitzung, die täglich 43,8 Millionen Barrel produzieren, die Ölförderung um 10 Millionen Barrel kürzen müssen. Der Rest bleibt (weitere 5 Millionen Barrel) bei der USA, Kanada, Norwegen und andere Länder.
Der Markt zeigte sich enttäuscht von den Ergebnissen der zweitägigen Verhandlungen der größten Ölproduzenten. Wenn 9 April der Preis von Brent- Öl stieg auf 36 US-Dollar pro Barrel, am Abend des 10 April fiel es auf 31,8 US-Dollar pro Barrel.
Die Verlängerung des OPEC-Plus-Deals um zwei Jahre, vom 1. Mai 2020 bis 30. April 2022, bedeutet, dass sich die Ölnachfrage nach dem Sieg über das Coronavirus extrem langsam erholen kann. Das mag sein, obwohl kein Land (außer China) bisher angekündigt die aktiven Beschränkungen seiner Bürger und der Wirtschaft zu lockern hat. Wenn die Welt wieder zum gewohnten Leben, kann das Modell des Verbrauchs trotzdem stark ändern: Es stellt sich heraus, dass man nicht jeden Tag mit seinem Mercedes zu fahren soll, um im Anzug zur Arbeit zu gehen; statt zu einer Konferenz zu fliegen, um persönlich am Meeting teilzunehmen, kann man eine Online-Konferenz haben; vielleicht werden die Menschen zu Hause sitzen und weniger Reisen, was Einfluss auf den Ölverbrauch der Weltwirtschaft erheblich nehmen kann. Die Zeit wird es in den kommenden Monaten zeigen, ob ein solcher Deal einen Sinn ergeben wird. Eins ist klar, dass derjenige, der über Öl verfügt, das Weltgeschehen beeinflusst.
Quelle:
https://www.tecson.de/historische-oelpreise.html
https://www.spiegel.de/wirtschaft/opec-staaten-wollen-oel-foerderung-drastisch-senken-a-606ef130-d20e-4562-99e6-fbc2465f3f38
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/finanzmarkt/oelstaaten-sollen-sich-auf-foerderkuerzung-geeinigt-haben-16719653.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/opec-drosselung-103.html