Endspurt
Nach ereignisreichen Wochen rückt der Abschied näher und näher...
Ich erinnere mich noch gut, wie ich mich in den Wochen vor dem Verlassen Deutschlands immer wieder bei Gedanken wie „das mach ich jetzt zum letzten Mal für die nächsten 10 Monate“, „hier laufe ich jetzt lange nicht mehr“ oder „darauf muss ich in nächster Zeit wohl verzichten“ ertappte. Diese Gedanken waren immer verbunden mit gemischten Gefühlen: manchmal wurde ich dann etwas traurig, aber bei manchen Dingen war es ja vielleicht gar nicht so schlecht, sie mal für eine Zeit nicht zu haben. Da nun meine letzten 3 Wochen angebrochen sind, kommen diese bekannten Gedanken nun erneut immer öfter. Nur leider ist diesmal der Unterschied, dass der Abschied nicht auf einen gewissen Zeitraum beschränkt ist, nach welchem ich weiß, dass ich all das wieder haben werde, sondern, dass es mehr wie ein tatsächliches Verlassen ist. Sicherlich werde ich zu Besuch immer mal wieder zurückkommen, aber das wird nie mehr in dem Maße sein, wie es jetzt ist, nämlich hier mein Leben zu haben. Und wer weiß, welche von den vielen Leuten, die ich während meiner Zeit kennengelernt habe, ich überhaupt jemals wiedersehe? Klar, mit den engsten Freunden wird man in Kontakt bleiben, aber was ist mit denen, zu denen man nicht so eine enge Bindung hatte, die die Zeit hier aber trotzdem in gewisser Weise beeinflusst haben und wichtig für mich waren? Ich habe in der letzten Zeit festgestellt, dass ich bevor ich dieses Abenteuer gestartet habe, über dieses Thema kaum einen Gedanken verloren habe. Jetzt wo der Abschied immer näher rückt, beschäftigt es mich allerdings so gut wie täglich und ich muss zugeben, dass man es tatsächlich unterschätzt, wie es ist, das alles, was man sich so in 10 Monaten aufgebaut hat, von einem auf den anderen Tag wieder „aufzugeben“.
Jetzt aber genug von diesen trübseligen Gedanken!! In den letzten Wochen hatte ich so viele tolle, glückliche Momente, die viel erwähnenswerter sind und von denen ich deshalb jetzt versuche zumindest in Kurzform zu berichten :D (ich mache einfach mal da weiter, wo ich das letzte Mal aufgehört habe, das war so ca. Mitte Mai):
Hier geht es direkt los mit wohl einer Aktion, von der es sicherlich nicht so viele im Leben gibt. Da eine gute Bekannte von mir am Wochenende heiratete, stand für mich eigentlich von Anfang an fest, dass ich dafür nach Hause fahren musste. Ich weiß nicht mehr wann, aber eines Tages beschloss ich, das Ganze als Überraschung aufzuziehen und keinem von meinem Kurzbesuch zu erzählen. Und man kann sagen, dass diese Überraschung in vollem Masse gelungen ist :D Besonders Simon und meine Eltern waren vollkommen sprachlos, als ich auf einmal vor ihnen stand (auch weil ich ihnen angekündigt hatte, dass ich an diesem Wochenende in Breslau sei, damit bloß niemand was ahnt). Ich hatte dann ein paar wunderschöne Tage daheim (als kleinen Vorgeschmack auf die nächste Zeit) mit etlichen Malen erstaunten und ungläubigen Gesichtern, ob ich es tatsachlich bin und wie das möglich ist. Das war wirklich richtig witzig die verschiedenen Reaktionen zu sehen :D Mitte der Woche ging es dann auch schon wieder zurück, allerdings nicht allein. Meine Freundin Laura kam für ein paar Tage mit nach Zlín, um sich alles anzuschauen und mal zu sehen, wo ich eigentlich das letzte Jahr verbracht habe. Wir hatten sehr schöne Tage, auch wenn die Zeit mal wieder rannte und so ging es am Freitag schon wieder nach Prag, wo wir uns mit Anneli und Lisa (zwei anderen Freundinnen :D) trafen. Dort in Prag hatten wir alle zusammen ein tolles Wochenende, wovon das Highlight das Konzert der Band Mumford and Sons bildete, welches wir besuchten. Nicht nur die Band und die Musik waren richtig gut, sondern auch die ganze Atmosphäre außenherum beeindruckte uns. Echt ein hammer Erlebnis!! Und fast unglaublich, dass wir es tatsachlich endlich mal geschafft haben den ‚zusammen auf ein Konzert geh Gutschein‘ einzulösen, den Anneli zum 16. (?) Geburtstag bekommen hat, was ja doch schon etwas her ist :D Am Sonntag fuhren dann Lisa und Anneli noch mit nach Zlín und auch die beiden schauten sich alles an. Da super Wetter war, statteten wir dann am Montag sogar noch dem Zoo einen Besuch abJ nun ja und dann hieß es mal wieder Abschied nehmen… was auch gar nicht so einfach ist jedes Mal aufs Neue! Irgendjemand meinte mal zu mir „Abschiede dürften dir nach der Zeit jedenfalls nicht mehr schwer fallen, so viele, wie du hattest“. Aus meiner Erfahrung kann ich aber nur das Gegenteil bestätigen. Zumindest für mich war das eine Sache, die immer wieder schrecklich war…
Es folgten ein paar (wenige :D) ruhigere Tage, bevor es direkt wieder volles Programm weiterging. Es stand eine Präsentation über unser Heimatland in dem Nachbarort Otrokovice an und zwar in einem kleinen Cafe, wo Behinderte als Bedienung arbeiten. Leider kamen wenig Zuhörer, dafür war es toll, das Konzept des Cafes kennenzulernen, wo eine total angenehme Stimmung herrschte. Immer wieder in der letzten Zeit stellte ich übrigens fest, dass es inzwischen tatsachlich möglich ist, Konversationen auf Tschechisch auch zum Beispiel mit Fremden auf der Straße oder Nachbarn aus dem Haus zu halten. Das ist schon echt ein Erfolg, auf den man jedes Mal wieder (wenn es denn klappt und man nicht auf „nemluvím česky – ich spreche kein tschechisch“ zurückgreifen muss) stolz ist! Am Wochenende begann dann das Film Festival für Kinder und Jugendliche hier in Zlín, was richtig groß aufgezogen wird. Es gab alle möglichen Ausstellungen, in den Parks Aktivitäten für Kinder, im Kino täglich etliche Filme und viele weitere Aktionen. Unter anderem auch ein Eröffnungsfeuerwerk und jeden Abend Open Air Kino unter freiem Himmel, welches Lucia und ich auch zweimal besuchten.
Am darauffolgenden Freitag (3. Juni) fand hier in der Organisation ein Workshop für Freizeitaktivitäten statt, wo wir auch teilnehmen durften und unter anderem ein Trainer kam, der uns einiges zum Thema Jonglage beibrachte und viele Gruppenübungen machte. Ein Heiden Spaß! Am Samstag fand dann schliesslich unser letztes Fußballspiel statt, wo wir zur Freude aller einen 9:0 Sieg heimholten, weshalb die Abschlussfeier im Anschluss umso ausgelassener und fröhlicher war :D Dennoch war es auch ein bisschen traurig, da ich meine Abschiedsgeschenke bekam (auch wenn es noch nicht der endgültige Abschied war). Die Mannschaft zu verlassen und nicht mehr alle mehrmals wöchentlich zu sehen, wird wohl eines der schwierigsten Dinge, da man eben einfach zusammenwächst und ich alle total ins Herz geschlossen habe. So kann ich eines sicher sagen: mein Fußballteam hat meinen Aufenthalt in vielerlei Hinsicht wahnsinnig bereichert und ohne das alles wäre meine Zeit nur halb so schön gewesen! Vor allem zu sehen, wie viel Mühe sich jeder einzelne gegeben hat, mich zu integrieren, wie nach und nach sich alle immer mehr getraut haben zu reden und so jetzt am Ende mit wirklich jedem eine Kommunikation auf irgendeine Weise möglich war (es gibt immer einen Weg :D), ist schon sehr beachtlich. Umso besser, dass ein Besuch bereits in Planung ist! Und sowieso steht fest, dass ich meine tschechische Mannschaft niemals vergessen werde! (Besonders da ich ja jetzt im Besitz eines SK Březůvky Trikots bin)
Letzte Woche schafften Zlata, Petia und ich es auch endlich mal wieder schwimmen zu gehen und da bei uns hier in letzter Zeit richtig sommerliches Wetter ist, konnten wir sogar draußen schwimmen, was richtig herrlich war. Am Freitag schaffte ich es endlich, einen Gottesdienst hier zu besuchen, was auch sehr interessant war. Zwar ist es eine wahnsinnige Konzentrationssache und alles habe ich auch bei Weitem nicht verstanden, aber den Ablauf konnte ich ungefähr verfolgen und mir Vieles zusammenreimen. Noch dazu spielte eine Band von Studenten, weshalb es ein sehr lebendiger Gottesdienst war. Das einzige Problem gab es dann, als ich an wichtigen Stellen nicht mitsprechen konnte und so beispielsweise beim Friedensgruß etwas meine Schauspielkünste gefragt waren, um es zumindest so aussehen zu lassen, als wüsste ich, was man auf Tschechisch sagt :D
Am nächsten Morgen stand ein ganz besonderes Ereignis an, auf welches wir auch intensiv in den letzten Woche hingearbeitet und viel Zeit investiert haben: wieder eine Präsentation über unsere Heimat – aber diesmal auf Tschechisch! Es waren so um die 10 Zuhörer da und ich muss sagen, dass es echt gut lief. Die Leute waren interessiert und erstaunt über unsere tschechisch Kenntnisse (da sie uns anscheinend tatsächlich verstanden :D). Allerdings war es schon auch sehr anstrengend so um die 45 Minuten tschechisch zu sprechen… Besonders gut kam auch der Obazda an, den ich daheim selbstgemacht und mitgebracht hatte. Das verteilte Rezept wird sicherlich der ein oder andere daheim nochmal ausprobieren. Danach ging es direkt weiter zu Petr, unserem Kollegen, der eine Grill- und Gartenparty mit einigen Freunden veranstaltete. Mal wieder ein richtig guter Abend mit ziemlich coolen Leuten und viel tschechisch sprechen! Mit etwas wenig Schlaf (keine genauere Info, da ja meine Mama das hier immer liest :D) ging es am Sonntagmorgen kurz heim und dann direkt wieder los nach Österreich. Da unser Trainer dort Fußball spielt, sind zur Abwechslung mal wir zum Anfeuern von ihm mitgegangen. Letztendlich wurde das Spiel zwar nach der Hälfte wegen Hagel und Starkregen abgebrochen, dennoch war es ein schöner Kurztrip, vor allem weil ich endlich mal wieder alle Leute um mich herum wieder verstanden haben. Noch dazu wurde ich dann als Übersetzer zu Rate gezogen, da unser Trainer zur nächsten Saison wechseln will, der „Chef“ der Mannschaft allerdings weder englisch noch tschechisch spricht. (So ging es dann in einer Kette: er zu mir auf Deutsch, ich zu seiner Freundin auf Englisch, seine Freundin zu ihm auf Tschechisch und zurück). Genau diese Momente werden mir einfach fehlen! :D
Ich hoffe, dass ich noch zu einem letzten Abschiedsblog kommen werde, den ich von hier aus schreibe, bis dahin Ahoj!