Eindrücke - Die Erste
Was kommt den meisten in den Sinn, wenn sie an Ungarn denken? Nicht das, was grey dort erlebt jedenfalls. Denn ihr begegnet ein modernes Land, abseits jeglichen Klischees.
"Nicht Weststandard" – das denken die meisten, wenn sie Ungarn hören. Pferdekarren, breite massive Schädelformen und Straßen, die im Schlamm versinken. Mir hat sich Ungarn bisher als ein sehr bipolares Land gezeigt. Einmal als ein Land, in dem es durchaus noch Trabbis und offene Schweinelaster gibt, aber auch als ein Land, das schon viel modernisiert hat und dabei gleichzeitig durch seine Urtümlichkeit besticht.
Meine ersten Eindrücke Ungarns sammele ich bereits bei meiner Anreise. Alles ist weit und grün. Die goldgelben Felder, die mit Maisstauden abwechseln, fliegen förmlich vorbei, als wir unter den Kronen einer Baumallee gen Vesprém sausen – und prompt einen kleinen Zusammenstoß mit einem Laster voller Bauarbeiter haben (aber wir wissen ja, dass wir alle sicher über die AXA versichert sind ;)). Nun ja, der Zusammenstoß ist insofern etwas makaber, da wir kurz zuvor an einem Schild mit der Aufschrift "Jó útat!" vorbei gekommen sind, was soviel bedeutet wie "Gute Fahrt". Wir stehen da auch eine ganze Weile, weil Chef 2 das natürlich erst noch regeln muss. Ich sitze also ganz arglos auf meinem Sitz, habe Kopfweh, wie die Tage davor auch, als tatsächlich ein typischer Westernlaster mit drei rosaroten Schweinchen auf der Lade vorbeihuscht, die Öhrchen im Fahrtwind wehend.
Von meinem künftigen Zuhause sehe ich leider so gut wie gar nichts. Es ist nämlich schon „Kuh-Nacht“, wie es die Schwaben sagen würden. Ich sehe gerade noch so die holprige Straße, die sich zwischen Feldern entlang schlängelt. Eine Pampastraße =). Wer nun aber glaubt, Tótvázsony liege wirklich im Nirwana, den muss ich enttäuschen. Zwar ist Tótvázsony mit seinen 1.200 Einwohnern etwa 35 Mal kleiner als meine Heimatstadt (und die hat auch gerade mal 34.000 Einwohner), aber seine Lage ist sehr privilegiert. Wir haben hier in unmittelbarer Umgebung das Bakony-Gebirge, wir haben in 10 km Entfernung den Plattensee und wir haben Vesprém, die größte Stadt in der Gegend, 15 km entfernt. So sehe ich also heute nicht Tótvázsony (Totwaschon), aber dafür meine Unterkunft – und die ist wirklich klasse. Wir haben sogar eine Friteuse und so ein Stampf-Zerhack-Dingens-da-Gerät! Die Zimmer sind mit Holzboden belegt, eigentlich ist da oben alles aus Holz. Nachts ist es nur ziemlich kalt. Aber das hat nichts zu sagen, denn mir ist des Nachts auch sehr, sehr, sehr heiß. Das Kalt-heiß wechselt, muss also an mir liegen. Aber ich bin auch nicht so ganz fit.
Am nächsten Morgen lerne ich dann Chef 1 kennen. Vier Worte: Putzig, Bär, putzig, Bär! Rein äußerlich ist er mit seinem schwarzen Rauschebart und den großen Pranken einfach zum knuddeln – was er selber wohl nicht so gern hört. Seine Frau Mardcsa (Mardscha – Verzeihung, falls die Schreibung nicht stimmen sollte, aber ich bin in letzter Zeit schon glücklich, wenn ich Namen einigermaßen verstehe und sie mir merken kann...) bekommt Dezember ihr erstes Kind. Chef 2 verkörpert dagegen schon eher den osteuropäischen Typ. Hohe, breite Wangen, dunkle, kleine Augen, schwarzer kurzer Pferdeschwanz – und heute läuft er in einem FC Barcelona Trikot durch die Gegend. Er ist ein ganz Lieber. Ich glaube, ich habe ihn vorher das erste Mal in seinem Leben genötigt ein Bügeleisen und ein Bügelbrett zu kaufen. Wir sind da extra nach Vesprém gefahren, in den InterSpar. Hochmodern, sag ich euch! Es gibt einen C&A daneben, einen Takko, einen Intersport, eine Apotheke und neben vielen anderen auch so einen komischen Schweizer namens Charles. Ich wusste gar nicht, dass Schweizer so heißen.
Aber ich springe schon wieder, denn natürlich machte ich am ersten Tag auch Bekanntschaft mit dem ungarischen Essen. Suppe mit Erbsen, Möhrchenstiften, Blumenkohl und Kraut mit saurer Sahne und Fleischklöpsen. Die Suppe war echt lecker, die Fleischklöpse auch, aber bei der Übermenge an Kraut stieg mein Geschmackssinn auf Rebellion um. Das ist insofern bemerkenswert, das ich absolut kein Gourmet bin und bis auf einige Ausnahmen eigentlich alles esse. Dennoch bin ich zuversichtlich. Nur weil mir das Kraut nicht schmeckt, heißt es ja nicht, dass ich das andere Essen auch nicht mag.
Mein letzter Eindruck, stammt von dem Platz, an dem ich gerade sitze. Das Appartement, das ich zusammen mit Piroska (Piroschka) bewohne, gehört nämlich zu einem Hotel, das genau so neu und schön ist wie unsere Unterkunft, Im Moment sitze ich auf einer schnuckligen Holzbank in einem Arkadengang in der Sonne, um mich herum summen die Bienchen um die Rosensträucher, ein weißen Splitterbeet reicht als Einfahrt weit in den Hof hinein und wird von Blumenkästen gesäumt. In der Ferne sieht man eine Wiese mit weiteren Bänken, viele Bäume und einen echten Naturschwimmteich – so gar nicht klischeehaft, was?
PS: Ich finde für das, dass ich auf dem Bild Fieber habe und es mit meiner Webcam aufgenommen ist, ist es doch nicht Mal schlecht. ;)