Ein Abend im Mercado de San Miguel
In Madrid pulsiert erst Nachts das Leben, das weiß jeder, der Spaniens Hauptstadt schon einmal gesehen hat. Bars, Restaurants und Cafés, die tagsüber leer sind oder nur von den Einheimischen besucht werden, werden Nachts zum Leben erweckt und gerade im Zentrum von Madrid rund um Puerta del Sol, Plaza Mayor & Co. quetscht sich Nachts die Menge durch die engen Gassen der Altstadt.
Wer es nicht auf eine der riesigen Diskotheken oder Bars abgesehen hat, der kennt jedoch auch die kleineren i-Tüpfelchen in Madrids Nachtleben. Die Markthalle auf dem Plaza de San Miguel ist kein Geheimtipp, den nur die Einheimischen kennen, inzwischen gehört sie wohl fest in jedes Tourismusprogramm, das durch Madrid führt. Dennoch hat die Markthalle eine ganz eigene Atmosphäre, fühlt sich nicht ganz so riesig an wie die gewaltigen Menschenmassen in einigen Bars. Nicht weit entfernt vom bekannten Plaza Mayor liegt sie und doch sieht man sie von dort kaum. Zwischen den bunt aufleuchtenden Lichtern des Nachtlebens fällt der Markt zuerst einmal gar nicht auf, doch mehr und mehr Einheimische und Touristen steuern ihn an, umso später es wird.
Die Markthalle hat ausschließlich Glaswände, sodass wir von außen bereits die Stände sehen können, die in einem Kreis angeordnet in der Halle stehen. Jede Menge Obst, das ist das Erste, was mir auffällt, als wir vom Plaza Mayor die Straße zu San Miguel herunterlaufen. Spät ist es noch nicht, gerade erst zehn Uhr, die Menschenmasse ist jedoch schon nicht mehr mit der zu vergleichen, die wir noch vor vier oder fünf Stunden angetroffen haben, so viele treiben bereits durch die Straßen.
In der Markthalle selbst ist es zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits voll, einen Stuhl zu ergattern, das ist beinahe ein Kunststück. Sie gilt längst als Kulturgut Spaniens und ist daher sogar denkmalgeschützt – warum, das weiß jeder Besucher sofort. Es ist ein prachtvolles Gebäude, das einst eine traditionelle und damit aus Eisen errichtete Markthalle war, jetzt aber bereits viel moderner aussieht. Nicht zu vergleichen ist sie mit einigen der Bars und Cafés, die eher für die Touristen gedacht sind und dementsprechend teuer sind.
Insgesamt 33 Stände ziehen sich einmal im Kreis und dann in verschiedenen kleineren Gassen durch die Halle. Die Auswahl an Tapas ist hier gewaltig – Oliven, Fisch und mehr sieht man überall. Dazwischen ist auch Käse beliebt, ein ganzer Stand bietet Mozzarella an, ein anderer kleine Teigteilchen, die mit Käse gefüllt sind. Mit meinen gebrochenen Sprachkenntnissen verstehe ich kaum, was auf den kleinen Schildchen in der Auslage steht, und traue mich damit noch nicht ganz an die Tapas heran. Schließlich lande ich beim Sushistand, dem wohl untypischsten Essen, das ich in meiner ersten Samstagnacht in Madrid essen könnte, mir schmeckt es aber super.
Weiter hinten in der Markthalle finden sich Vinotheken und Stehbars, der beliebte vino tinto de verano wird neben Bier, Sangria und Cocktails ausgeschüttet. „Bahnsteig“, schnappe ich irgendwo hinter mir auf und erkenne ein älteres Ehepaar, das sich angeregt in Deutsch über ihre leicht missglückte Metrofahrt unterhält. Auch meine Projektpartnerin schnappt einige Wörter Französisch auf und wir wissen, dass wir hier bei weitem nicht die einzigen Touristen sind.
Bis 2 Uhr in die Nacht ist der Markt geöffnet, daher sieht man einigen der Besuchern an, dass sie nur einen schnellen Snack suchen, bevor es weiter in eine der Diskotheken von Madrid geht, andere essen hier nur zu Abend, um dann eine ruhigere Nacht zu genießen. Zwei Geschäftsmänner stehen neben uns, beide in Anzug und Krawatte, die Laptoptasche noch in der Hand. Worüber sie sich bei ihrem Bier unterhalten, kann ich nicht verstehen, auch nicht ob es noch immer um die Arbeit geht. Die Metro ist auch um diese Uhrzeit noch voll mit Familien und kleinen Kindern, Drei- und Vierjährige springen zwischen den Ständen hin und her, ein Vater läuft ihnen nach und versucht, seine Kinder nicht aus den Augen zu verlieren.
Es ist eine wunderschön bunte Menschenmenge, immer mitten in der Unterhaltung, immer laut und voll mit dabei.