Eiereien
Ostern war herrliches Wetter! Da ich es mit der orthodoxen Religion nicht so habe, meine Neugier mit dem einen oder anderen Gottesdienst gestillt war und ich beschlossen hatte, dass ich die Kirchen nur mag, wenn sie leer sind (weil sie oft so schön dunkel sind), ging ich lieber zum evangelischen Mitternachtsgottesdienst, wo ich außerdem noch ein bisschen Flöte spielen konnte.
Ostern war herrliches Wetter! Da ich es mit der orthodoxen Religion nicht so habe, meine Neugier mit dem einen oder anderen Gottesdienst gestillt war und ich beschlossen hatte, dass ich die Kirchen nur mag, wenn sie leer sind (weil sie oft so schön dunkel sind), ging ich lieber zum evangelischen Mitternachtsgottesdienst, wo ich außerdem noch ein bisschen Flöte spielen konnte.
Es war ganz so, wie ich es kannte, beziehungsweise ich erinnerte mich. In Deutschland war ich seit Jahren nicht mehr zu Ostern in einer Kirche gewesen. Anfangs war es ganz dunkel in der Kirche, dann wurde eine Kerze angezündet, schließlich bekamen alle Menschen ein Kerzenlicht. Die Orgel spielte nicht, bis dann um Mitternacht die Glocken klangen und in der Kirche wieder alle Lichter angingen (obwohl ich die Kerzen eigentlich schöner fand als das elektrische Licht).
Alle Leute strömten nach draußen, wo die Glocken summten und tönten, es war warm, von überall kamen Leute mit Kerzen (auch aus den orthodoxen Kirchen) und – ich wollte es kaum glauben – die Trams und Trolleys fuhren die ganze Nacht! Wenn das kein religiöser Eifer ist! Auch meine Nachbarin hatte mich schon gefragt, was ich denn in dieser Nacht machen würde, dass ich doch wohl nicht vergessen hätte, dass Hristos (Christus) auferstanden ist?! - So sehr ist dieses Fest in allen Gesellschaftsschichten verankert. Seltsam, da doch jahrzehntelang unter Ceaucescu jegliche Religionsausübung verboten war. (In Deutschland gibt es ja im Osten immer noch weniger Christen als im Westen.)
Nach dem Gottesdienst ging ich zu Freunden zu einem Ostermahl. Manche Leute geben angeblich Millionen (auch in Lei ist das sehr viel) für dieses Essen aus! Wahrscheinlich auch, weil viele das Fasten vorher sehr ernst nehmen: Öl, Fleisch, Fisch, Milch und Eier sind verboten, die Imbisse auf der Strasse bieten extra Fasten-Essen an. Eine Tradition ist es, beim Essen die bunten Eier gegeneinander zu hauen mit den Worten: Hristos a inviat! Und man muss antworten: Adevarat a inviat! (Christus ist auferstanden! – Wahrhaftig auferstanden!), um dann zu schauen, welches Ei am längsten heil bleibt. Außerdem grüsst man sich noch tagelang nur mit diesen Worten, überall, im Café, am Telefon, Hristos a inviat! – Adevarat a inviat! Aber mit Innbrunst! Und am Ostersonntag hatte ich wirklich das Gefühl, dass ein großes breites Lächeln über der Stadt liegt.
Nur das Verstecken von Süßigkeiten ist hier leider gänzlich unbekannt.