Digitale Ökonomie - Wer zahlt den wahren Preis für Big Data?
Auf den ersten Blick wirkt das Internet wie eine Art Schlaraffenland: Enzyklopädien wie Wikipedia vereinen das Wissen der Welt und haben schon so manches Referat gerettet, Youtube bietet jungen Künstlern eine Internationale Plattform und Facebook hält alte Freundschaften am Leben - Und das alles kostenlos! Aber wer bezahlt da den wahren Preis?
Das Internet hat vieles revolutioniert und wird auch noch weiterhin unser Leben verändern, denn wir befinden uns in einem Prozess fortschreitender Digitalisierung. Unser Leben wird digitaler, und das in jeder Hinsicht: Alexa erleichtert uns den Alltag, Wearable Tech macht uns zu Sportlern, Politik und Verwaltung werden digitalisiert, vieles geht bereits online, sogar Bildung wird immer weiter in den digitalen Raum verschoben. Tatsächlich bietet dieser Prozess viele Vorteile. Er spart nicht nur Zeit und Transaktionskosten, er bietet auch vielen Chancen: Mit der kostenlosen Verfügbarkeit von Daten werden Wissen und viele Tools demokratisiert. Theoretisch könnte man sich völlig mit dem Internet autodidaktisch ausbilden, und das nutzen viele benachteiligte Menschen weltweit.
Diese Entwicklung hat aber leider nicht nur positive Effekte. Ich frage mich zum Beispiel immer, warum Apps und Softwares für so viel Geld verkauft werden - Wie kann eine kostenlose App wie WhatsApp Face 19 Milliarden Dollar gekostet haben? Wie wird dieser Wert generiert? Die Antwort darauf ist relativ simple und erschreckend: Durch uns und unsere Daten. Wir sind zwar einerseits so etwas wie digitale Kunden, gleichzeitig sind wir aber auch kostenlose Arbeitskräfte. Aber wissen wir aber leider nicht, welche Logik hinter diesem System steht. Eine Vielzahl an Algorithmen steuert unser digitales Konsumverhalten, was absurderweise auch gravierenden Einfluss auf unserer reales Leben haben kann: Googles Such-Algorithmen standen letztens in der Diskussion, weil sie teilweise rassistische oder diskriminierende Suchvorschläge anzeigen - Einfach weil sie häufig gegoogelt werden. Das beeinflusst aber auch unsere Meinung und unsere Wahrnehmung, weil das suggeriert, dass diese diskriminierenden Suchanfragen normal, gewöhnlich und legitim wären. Und Matching-Algorithmen in Flirt-Apps können uns mit unserem perfekten Partner zusammenbringen - Oder uns unsere große Chance vorenthalten. Auf das alles - und viel mehr- haben wir keinen Einfluss.
Denn Algorithmen sind nicht neutral. All diese Algorithmen und Anwendungen der künstlichen Intelligenz dienen dem Profit und den Konzernen. Und das tuen sie ganz geschickt, denn sie sammeln im Hintergrund all unsere persönlichen Daten, unsere Internet-Verläufe und Vorlieben und werten sie aus. Diese immense Datenmenge bietet großes Potential, zum Guten wie zum Bösen. Schon lange existieren Dystopien über die unendlichen Möglichkeiten zur Kontrolle und Überwachung, die unsere modernen Medien besitzen - Allerdings hatte George Orwell noch angenommen, all diese Daten würden heimlich vom Staat aufgenommen werden. Er hätte vermutlich niemals damit gerechtet, dass wir das Internet eines Tages mit unseren persönlichsten Daten füttern und dass wir intelligente Technik in jeden, noch so intimsten, Lebensbereich eindringen lassen.
Viele argumentieren gegen diese Befürchtungen, dass sie nichts zu verbergen hätten. Dass sie alles offenlegen können, weil sie nichts ungesetzliches tun. Damit verfehlen sie allerdings den Kern der Debatte, und das ist das negative Potential, welches sich unter der kapitalistischen Logik entwickelt. Ein aktuelles Beispiel ist ein neueingeführtes Sozialpunktesystem in China, welches Menschen anhand einer Auswertung ihrer Daten in gute oder schlechte Bürger einteilt. Wie weit kann das gehen? Würde es bedeuten, dass man einen Job nicht mehr bekommt, weil man viele Partyfotos postet? Dass man höhere Krankenkassenbeiträge bezahlen muss, weil man ungesund lebt? Dass man präventiv verhaftet wird?
Daten werden häufig als das Öl des 21.Jahrhunderts bezeichnet, und es scheint in jeder Branche nur noch um Daten zu gehen. Viele Produkte, welche vorher unser Leben bestimmten, werden obsolet: Autos werden angesichts der Stadtentwicklung und dem demographischen Wandel immer weniger bedeutet, wichtiger sind die Informationen, wer unterwegs ist und wohin er will. Und wie man diese Einzelinteressen vernetzten und organisieren kann. Damit bieten auch viele Online-Plattformen etablierten Brachen massive Konkurrenz: Uber verdrängt Taxis, AirBnB Hotels und der Einzelhandel sieht sich in direkter Konkurrenz zu unendlichen Onlineshops. Viele Jobs entstehen in dieser Transition der Ökonomie, andere verlieren an Relevanz.
Wir als nächste Generation befinden uns nun mittendrin: Die größte Herausforderung wird vor allem dabei sein, die bestehende Ungleichheit nicht noch zu verschärfen. Dieser Umbruch in Wirtschaft, der Arbeitswelt und im Kapitalwesen bietet Chancen für viele, aber nur die mit den finanziellen Möglichkeiten und den notwendigen Skills werden fähig sein davon auch wirklich zu profitieren. Gerade in der Europäischen Union wird momentan eine wachsende Divergenz deutlich: Viele junge Menschen lernen in ihrer Schulzeit keine notwendigen Skills mehr um auf einem modernen, digitalen Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Deswegen ist es umso wichtiger, dass Bildung flexibler und vor allem an den sich ständig wandelnden Kontext angepasst wird: Um allen jungen Menschen in Europa gleiche Chancen zu bieten und sie aber auch digital aufzuklären, um sich schutzlos den ökonomischen Interessen auszuliefern.
Sehr spannende Fluter-Ausgabe zum großen Thema Daten: https://www.fluter.de/heft68
Kommentare