Die Wochen 4 & 5
Ein Bericht über die letzten beiden Wochen meines ersten Monats hier.
Ich bin jetzt schon einen ganzen Monat in Bulgarien – aber es kommt mir so vor, als wär ich gerade erst angekommen. Ich fühl mich immer noch neu hier und auch die anderen Leute sind immer noch überrascht wenn sie feststellen, dass ich in der Kneipe mein Bier selbst bestellen kann. Dabei ist das nach einem Monat wohl absolut keine Kunst. Und noch immer hat unsere richtige Arbeit nicht begonnen. Eigentlich sollten wir diese Woche damit anfangen in den Kindergärten und in der Tagesförderstätte für Behinderte zu arbeiten. Aber irgendwie hat das nicht so funktioniert und wir wurden auf nächste Woche vertröstet. Jetzt scheint es aber ernst zu werden. Morgen früh muss ich um 9 in einem Kindergarten in Dimitrovgrad sein... für bulgarische Verhältnisse ist das noch mitten in der Nacht!
Außerdem werde wahrscheinlich ich in beiden Gymnasien der Stadt sowas wie Deutsch-AGs anbieten. Das Problem der Gymnasien hier ist, dass die Schüler zwar Deutschunterricht haben, aber nur äußert selten Deutsch sprechen. Meine Aufgabe ist es also nicht Grammatik zu unterrichten und Hausaufgaben zu stellen, sondern mit den Schülern zu sprechen. Wie genau das passieren soll muss ich noch abklären. Wahrscheinlich werde ich Diskussionsrunden starten oder mit den Schülern deutsche Songtexte durchsprechen oder sowas. Das hängt auch von den Wünschen der Schüler ab.
So viel zur Zukunft, jetzt wieder zurück zu den letzten beiden Wochen :)
Wir waren auf der Polizeistation in Haskovo (der Hauptstadt unserer Provinz), um unsere bulgarischen Pässe abzuholen. Und als wir in den Bus zurück nach D-Grad eingestiegen sind hat eine Frau hinter mir ziemlich auffällig gedrängelt und geschubst. Dann bin ich misstrauisch geworden und hab meinen Rucksack abgezogen und ihn in die Hand genommen. Meine Vorsicht hat sich ausgezahlt: Die Frau hat den Reißverschluss an meinem Rucksack geöffnet, wo ich kurz vorher meinen Geldbeutel reingesteckt hatte! Es war allerdings zum Glück noch alles drin. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob das wirklich die Frau getan hat, weil ich den Reißverschluss auch manchmal selbst offen stehen lasse. Aber dann hat ein Mann, der das Ganze scheinbar gesehen hatte, angefangen die Frau ziemlich heftig zu beschimpfen. Dass die Frau eine Roma war hat wahrscheinlich zu seiner Wut beigetragen... Roma sind bei den allermeisten Bulgaren nicht sehr beliebt.
Das war das zweite Mal innerhalb von 3 Wochen, dass jemand versucht mich um mein Geld zu erleichtern. Hoffentlich geht das nicht so weiter!
Am selben Tag ist noch was Erwähnenswertes passiert:
Abends klingelts plötzlich Sturm an unserer Tür. Daina und ich kommen gleichzeitig aus unseren Zimmern um zur Tür zu gehen, da sagt sie mit ziemlich eindringlicher Stimme: „Check the washing machine!“ Ich geh also in die Küche und muss feststellen, dass dort ziemlich viel Wasser steht... Woher wusste sie das?!
Es war das dritte Mal seit Daina hier ist, dass die Waschmaschine die Küche überflutet hat und bei den Mietern unter uns das Wasser von der Decke getropft ist. Daina hatte also schon Erfahrung mit Sturmgeklingel und wusste genau was los war, ohne dass sie die Küche gesehen oder die Haustür geöffnet hatte.
Dieses Mal war die Waschmaschine allerdings nicht kaputt: Das Wasser unserer Waschmaschine fließt über die Spüle ab. Und der Abfluss unserer Spüle war von einer Untertasse blockiert, deswegen ist das Waschbecken übergelaufen. Jedenfalls war unsere Untermieterin ziemlich wütend, weil das tropfende Wasser scheinbar irgendein Elektrogerät zerstört hat. Zumindest hat Daina das so verstanden. Bis jetzt wollten sie aber noch keine Entschädigung oder sowas...
Letztes Wochenende fanden Wahlen in Bulgarien statt, hier werden nationale und lokale Gremien immer gleichzeitig gewählt. Dieses Mal hat eine Partei (GERB), der man vorwirft Stimmen gekauft zu haben, ziemlich abgeräumt. Das ist laut den Leuten hier ein offenes Geheimnis, es gibt sogar Beiträge im Fernsehen in denen Leute darüber berichten, wie und für wie viel Geld sie ihre Stimme verkauft haben. Auch der alte und neue Ministerpräsident ist Mitglied von GERB und steht ziemlich in der Kritik, weil er während der kommunistischen Zeit Bulgariens der Bodyguard des Machthabers war.
Die Ottonormalverbraucher in Bulgarien haben, das ist zumindest mein Eindruck von den Leuten in D-Grad, den Glauben in die Politik verloren. Laut ihnen gewinnt GERB sämtliche Wahlen, weil sie viele reiche Anhänger haben, wodurch sie für viel Geld Stimmen kaufen können, und weil der Ministerpräsident gute Kontakte zur Polizei hat.
In Deutschland wären das riesige Skandale, aber hier kann bzw. will niemand ernsthaft was dagegen unternehmen. Ich find das alles ziemlich verstörend...
Bilder gibt’s dieses Mal keine. Weil es keine gibt, die zu dem passen, was ich geschrieben hab :)
Bald werde ich aber eine ganze Menge Bilder hochladen. Wenn es so weit ist lasse ich es euch wissen!
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