Die Sim-Karte
Vom Kauf einer Sim-Karte und selbstverständlicher Hilfe
Ich stehe am vereinbarten Treffpunkt und warte auf Anne. Sie müsste mit dem Bus Nr. 8 oder 22 kommen und jedes Mal, wenn einer dieser Busse die Haltestelle an der gegenüberliegenden Straßenseite anfährt, halte ich nach ihr Ausschau. Ich bin etwas früh, deshalb warte ich geduldig mehrere, einige, nein, VIELE Busse ab. Doch diese vielen Busse sind bald schon so viele, dass eine knappe dreiviertel Stunde vergangen ist. Ich habe nur schlechtes WLAN und um eingeloggt zu bleiben, darf ich den Bildschirm nicht sperren. Es ist aber kalt und meine Finger fühlen sich in den Handschuhen beachtlich wohler.
Irgendwann bekomme ich eine Whats-App-Nachricht von Anne: „Bin noch nicht mal bei Unic!“ UNIC, das sowjetische Kaufhaus an der Kreuzung der Hauptstraße Stefan cel Mare und Ismail ist ungefähr 15 Minuten mit dem Bus bei dem heutigen Verkehr entfernt. Wir haben nicht allzu viel Zeit und daher wäre es vielleicht einfacher, wenn ich selber dorthin fahren würde und wir uns am UNIC treffen. Doch da habe ich schon wieder kein WLAN. Wie sage ich Anne also Bescheid? Richtig, anrufen. Aber: wäre mit einer deutschen Nummer dann vielleicht doch etwas teuer. Wie gut, also, dass direkt hinter mir einer der zahlreichen Kiosks steht und dass Sim-Karten hier nicht teuer sind. Mit 30 lei Startguthaben komme ich locker durch das Wochenende und die 1,50 € bringen mich auch nicht um.
„Guten Morgen!“, sage ich also zu der Dame hinter dem kleinen Fensterchen zum Durchsprechen, „Ich hätte gerne eine Sim-Karte für Orange.“.
„Guten Morgen, meine Liebe. Ist Ihnen die Nummer egal, oder möchten Sie sich eine aussuchen?“, fragt sie mich.
„Das ist mir ganz egal, ich brauche nur schnell eine Nummer.“
Sie gibt mir das Starter-Set und ich gebe ihr 30 lei. Allerdings nicht, bevor ich mich versichert habe, dass die Karte auch in mein Handy passt. Denn grandioserweise bin ich nun Eigentümerin eines iPhone 5Cs und die normalen Microchips passen hier leider nicht mehr. Die Verkäuferin versichert mir, dass die Karte auch in das iPhone 5 passen wird, ich bedanke mich und gehe ein paar Schritte zur Seite um dem nächsten Kunden Platz zu machen.
Ich öffne das Set, sehe mir die Sim-Karte an und - natürlich, wie eigentlich nicht anders zu erwarten - ist die Karte nicht für das iPhone 5 zugeschnitten. 30 lei sind zwar nicht viel, aber trotzdem ärgerlich und so kehre ich zu dem Kiosk zurück und frage, ob ich die Karte zurückgeben kann.
„Doch, doch, die passt sicher. Zeigen Sie doch einmal ihr Handy und holen sie die Sim-Karte, die Sie im Moment haben, heraus. “, sagt die Dame. Ich frage nach einer Büroklammer oder Ähnlichem und nach einem Moment des Suchens biegt sie mir eine auf, sodass ich den Schlitz öffnen kann. Die Verkäuferin versteht nun mien Problem.
Sie braucht aber gar nicht lange zu überlegen und ein Lächeln steigt in ihre Augen. Sie holt eine Schere unter der Verkaufstheke hervor und erklärt mir, dass sie mir die Karte einfach zuschneiden kann. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das klappen wird, denn allein der Chip ist größer, als die Nano-Karte selbst und um die Sim passend zu machen, müsste der Elektrochip zerschnitten werden. Mir ist das alles etwas suspekt, aber ich lasse die Dame machen. Vielleicht ist es ja nicht das erste Mal, dass sie eine Karte zurechtschneidet.
Der erste Versuch klappt nicht. Die Karte ist noch viel zu groß und alles andere als „nano“. Der zweite Versuch klappt auch nicht. Der dritte genauso wenig. Und beim vierten ist es nicht anders. Inzwischen sind bestimmt 10 Minuten vergangen und ich habe immer noch kein WLAN um Anne zu schreiben und ich weiß auch nicht, wo sie im Moment ist.
Die Karte wird ein fünftes Mal frisiert. Ein sechstes und ein siebtes. Und dann, irgendwann - der Chip ist schon längst zerschnitten - passt die Karte in die Halterung. Mit etwas Mühe schaffe ich es auch die Halterung in das Handy zu stecken. Aber, wie ich erwartet hatte, bekam ich kein Netz.
„Oh, ok, dann geben Sie noch einmal her. Ich habe die Karte bestimmt nur falsch herum eingelegt.“. Wir machen das Handy wieder auf, die legen die Sim-Karte andersherum hinein und schwierig, aber letztendlich dann doch, lässt sich die Kartenhalterung wieder in das Handy schieben.
Aber: Kein Netz. Doch die Verkäuferin bedeutet mir noch ein wenig zu warten und tatsächlich, nach ca. 1 Minute, empfange ich Orange-Netz. Die Verkäuferin ist ganz erleichtert - und ich sowieso - und gibt mir ihre Nummer, damit ich die Karte aktivieren kann. Mit immer noch demselben Lächeln im Gesicht wünscht sie mir einen schönen Tag und wendet sich zu den nächsten Kunden, die inzwischen schon eine Schlange bilden mussten, während wir eine Sim-Karte zerschnippelten.
Ich weiß nicht genau, wie viel Zeit mich diese Aktion gekostet hat, aber geholfen hat es nicht wirklich. Anne habe ich zwar hinterher am UNIC getroffen, aber sie wäre wohl auch schon schneller am Treffpunkt gewesen. So haben wir aber in der Nähe des UNIC ein schönes Kaffee gefunden, mit leckerem Kuchen und einem eigenartigen Kellner (aber das ist wieder eine andere Geschichte).
Was die Aktion mir aber sehr wohl gebracht hat, ist, dass ich wieder einmal die Freundlichkeit und das Improvisationstalent der Moldauer erleben durfte. Diese Selbstverständlichkeit des Helfens, selbst bei kleinen Dingen, und die Warmherzigkeit haben mir erneut in Erinnerung gerufen, warum ich dieses Land und seine Leute so sehr liebe. Und Gratis dazu gab es in dem Starter-Set noch eine CD mit moldauischer und russischer Pop-Musik. Was will man mehr?