Die Küche Ungarns - Über Fruchtsuppen, Palacsinta und andere Seltsamkeiten
Wenn man tief in eine fremde Kultur eintauchen möchte, dann sollte man mit dem Essen anfangen:). Während Handlungstypen, Denkweisen und typische soziale Verhaltensweisen sich oft mehr im Hintergrund verstecken und schwer zu verstehen sind, charakterisiert nichts ein Land deutlicher als Essen (welches aber auch manchmal schwer zu verstehen ist:D). Und man beschäftigt sich wohl auch um einiges lieber damit, sich durch Nationalspeisen zu futtern, als sich durch politische Strukturen zu kämpfen.
Die ungarische Küche sei eine der besten osteuropäischen Küchen, hat mir das Internet versprochen. Es wurde von Paprika, Gulasch und geschmackvollen Süßspeisen geschwärmt. Dagegen hat von merkwürdigen Fruchtsuppen, fehlendem Gemüse und Zucker, den man an Orten findet, an denen er nicht hingehört (zum Beispiel in Nudelsoßen) keiner gesprochen. Also, ist die ungarische Küche tatsächlich so gut oder hat auch sie ihre Tücken und Seltsamkeiten?
Als ich zum ersten Mal die Speisenkarte meiner Kantine vom Ungarischen ins Deutsche übersetzt habe, erwarteten mich eine Menge Überraschungen und verrückter Gerichte. Von Goldfisch mit Vanillesoße oder einem Kartoffelteller, zu dem es doch tatsächlich Kartoffeln als Beilage geben sollte, war dort alles zu finden. Auch Suppen mit Erdbeergeschmack oder mit eingelegten Löffeln standen zur Auswahl. Es werden Gerichte wie cremig eingelegte Marmelade und Teelöffel-Kartoffeln versprochen. Später erwartete mich dann eine weitere Überraschung. Ich musste feststellen, dass Google nämlich beim Übersetzen gar nicht ganz so falsch lag, wie ich erwartet hatte. Ein paar verrückte Gerichte, findet man tatsächlich. (Nur kocht man dann doch auch in Ungarn kein Besteck oder serviert Goldfische mit Vanillesoße:D)
Wenn man wirklich ungarisch sein will, betonte mein Trainer auf dem On-Arrival-Training, dann muss man Suppe zur Vorspeise essen. Und zwar nicht irgendeine Suppe, sondern eine süße, kalte Fruchtsuppe, die es in den unterschiedlichsten Variationen gibt. Wenn man bei einem ungarischen Hotel-Buffet also vor den Suppen steht, sollte man aufpassen. Ist eine weiße Cremesuppe kalt, dann kann es gut sein, dass es sich hier bei den Zutaten um Pfirsich und Karamell handelt. Sofort alarmiert ist man dagegen bei der typisch pink leuchtenden Erdbeersuppe. Wenn es zum Ungarischsein dazu gehört, dies zu mögen, muss ich wohl auf das Ungarischsein verzichten:D.
Süß ist bei den Ungarn also so einiges. Hier lieben die Menschen Zucker und das überall. In Suppen, Soßen und Co scheint dies eine wichtige Zutat zu sein. Während mir die Süße dort meistens etwas fehl am Platz vorkommt, ist sie im ungarischen Gebäck dagegen ganz richtig. Besonders typisch sind Strudel mit Apfel-, Mohn- oder Sauerkirschfüllung. Auf der Straße sieht man oft, dass Kürtöskalacs verkauft wird. Dies ist eine ungarische Gebäckspezialität vom Holzkohlengrill, der in seiner Form dem Baumkuchen ähnelt und mit Eis und Sahne verkauft wird.
Besonders beliebt sind hier Pfannkuchen in den unterschiedlichsten Variationen. Oder, wenn man sich richtig ausdrücken möchte: Palacsinta. Auch, wenn dies im Prinzip einfach nur das ungarische Wort für Pfannkuchen ist, bestehen viele Ungarn darauf, dass ihre Pfannkuchen einzigartig sind und weder was mit dem französischen Crêpe noch etwas mit den stinknormalen Standard Pfannkuchen zu tun haben. Um dies zu beweisen, hatte mich bereits in der dritten Woche ein ungarisches Paar zur Zubereitung eingeladen. Meiner Meinung nach ist dieser Beweis jedoch nicht so gelungen, es waren Pfannkuchen, welche ganz gewöhnlich aus Milch, Eiern, Mehl, ein wenig Sprudelwasser und einer Prise Salz gebacken wurden. Aber, um den Stolz der beiden freundlichen Gastgeber nicht zu verletzen, habe ich natürlich anerkennend bestätigt, dass sie ganz besonders sind. Und lecker waren sie auf jeden Fall. Wirklich besonders werden Palacsinta dann aber erst, wenn ich meine Kantine besuche. Dort gibt es sie nämlich frittiert! Frittierte Pfannkuchen mit Brokkolicremefüllung. Eine seltsame Art Pfannkuchen zuzubereiten, aber dabei hat sich das Probieren gelohnt.
Frittieren lieben die Menschen hier aber sowieso, ob Hühnchen Fleisch, Käse oder Broccoli, alles findet man hier Rántott (ungarisch für paniert und frittiert). Wenn man Gemüse dagegen in frischer Form sucht, wird man seltener fündig. Wichtig bei einem Gericht ist das Fleisch, aber natürlich auch Paprika, Schmalz, Zwiebel, Knoblauch und Sauerrahm. Als Vegetarier wird man gerne mal schräg angeschaut. „Das ist dann wohl dein eigenes Problem“ ist eine Bemerkung, die man hören könnte, wenn man ungarisch verstehen würde. „Veganer“ ist für die Küchen dieses Landes nahezu ein Fremdwort. Nicht nur in der traditionellen Küche, sondern überall wird dieser alternativen Ernährung selten Respekt geschenkt.
Die ungarische Küche hat aber natürlich auch seine guten Seiten. So beispielsweise das Gulasch, welches zusammen mit Paprika oft als erstes genannt wird, wenn nach ungarischen Speisen gefragt wird. Auf die klassische Art wird dies in riesigen Kesseln gekocht. Auch die Bike Maffia wahrt diese Tradition. Gulasch wird außerdem erst dann richtig gut, betont mein Mentor stets, wenn es für mindestens 50 Personen gekocht wird! Und wenn er das tut, dann wird es auch tatsächlich richtig gut. Pörkölt wird hier diese Fleischsuppe mit Kartoffeln und Gemüse genannt. Wenn man diese so richtig traditionell genießen möchte, sollte man sie zusammen mit Sauerrahm essen. Dieser wird in diesem Land in riesigen Mengen verzehrt. Sucht man Sauerrahm im Supermarkt, findet man ein langes Kühlregal voller unterschiedlicher Sorten, sucht man dagegen Sahne, wird man eher selten fündig:D. Auffällig sind beim Einkaufen auch die Regale voller kleiner, rotweißkarierter Riegel. Dabei handelt es sich um einen der typischsten, ungarischen, süßen Snacks. Viel mehr als Snickers und Co werden hier nämlich diese sogenannten Túró Rudi gegessen, welche aus schokoladeumhülltem Frischkäse bestehen. Klingt nach einer fragwürdigen Kombination, ist aber sehr zu empfehlen (besonders die Variation mit Pflaumenmusfüllung:)).
Sucht man ungesüßten Käse, darf man sich nicht wundern, wenn man auch mal geräuchertem Mozzarella begegnet. Als ich im Rahmen meines ersten Foto Events auf einem Markt war, ließ mich der Käseverkäufer einige geräucherte Spezialitäten probieren. Ich muss aber zugeben, dass mir ungeräucherter Käse doch um einiges besser schmeckt:D.
Nach dem Essen sollte man nicht missen, Unicum zu probieren. Dieser ungarische Kräuterschnaps wird oft als Digestif angeboten, in dem festen Glauben, dies solle den Magen beruhigen (Übrigens schwören die Ungarn auch bei Krankheit auf einen Tee mit einem guten Schluck Unicum). Das ist nach dem traditionellen Essen dieses Landes meist auch wirklich nötig, da es stets schwer und fettig ist. Ob Unicum dabei nun hilft oder nicht, das soll ein Rätsel bleiben:).
Abschließend hier noch eine kleine Liste von dem, was man unbedingt probieren sollte, wenn man in Ungarn ist:
- Eine Fruchtsuppe (Ich kann sie zwar kaum wegen ihrem Geschmack empfehlen, aber wegen ihrer Tradition:D)
- Palacsinta (gerne die Hortobagy Art mit Gulaschartiger Füllung)
- Pörkölt
- Debreziner-Würste
- Langos (mit Sauerrahm, Knoblauch und Käse)
- Túró Rudi
Also, jó étvágyat, lasst es euch schmecken:)
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