Die kleine und die große Reise
Bevor ihre Arbeit im September beginnt, nutzt May_ ihre freie Zeit zum ausgiebigen Reisen. Dabei entdeckt sie ihre Liebe für Istanbul! Gleichzeitig bedrohen gefährliche Feuer große Teile Griechenlands.
Ich dachte gar nicht, dass ich das Tagebuch so schnell vernachlässigen würde. Aber natürlich werde ich pflichtbewusst über meinen August berichten. Zur allgemeinen Situation hier in Griechenland, muss ich ja eigentlich nichts sagen, da mir spätestens als sämtliche Verwandten und Freunde anriefen und schrieben um sich versichern zu lassen, dass ich den Feuern entgangen bin, bewusst wurde, wie schlimm es wirklich ist.
Gerade auf Peleponnes brennt es überall. Annemari und ich versuchen zu verstehen, wie man absichtlich Feuer legen kann und damit nicht nur einige Menschen umbringt, sondern so vielen auch noch die Lebensgrundlage raubt! Aber wir haben, wie zu erwarten, keine Antwort darauf gefunden. Unsere Mitfreiwilligen aus der Nachbarstadt Xylokastro müssen sogar in den Abendstunden Wache schieben um den Wald dort (es ist eigentlich eher ein Park) zu schützen.
Abgesehen von den Waldbränden, verläuft alles ganz ruhig und gemächlich. Wir haben immer noch nichts zu tun, außer ein bisschen Griechisch zu lernen, im Büro zu sitzen und zu basteln, aber immerhin haben wir uns aufgerafft und uns von unserer Lieblingsbeschäftigung (Essen) losgerissen um ein paar Ausflüge zu unternehmen:
Die kleine Reise
Zu Beginn des Monats war ich mit Vica, die mittlerweile schon abgereist ist, Dora aus Korinth und einigen anderen in Navplio, einer ehemals bedeutenden Handelsstadt, die immer noch künstlerisch angehaucht und vor allem bei Touristen sehr beliebt ist. Nachdem wir dort tatsächlich, natürlich während der heißesten Zeit des Tages, die 1000 Stufen zu den Ruinen der griechisch-türkischen Festung erklommen haben, wurden wir auch mit einem wunderschönen Ausblick belohnt, den wir allerdings erst genießen konnten, nachdem wir (ungefähr eine Viertelstunde später) wieder genug Energie hatten um uns von einem schattigen Fleckchen zu erheben. Dank einiger englischer, deutscher und ungarischer Reisegruppen haben wir sogar ein bisschen Bildung erlebt...
Nach unserer extremen Wanderung, sind wir noch durch die hübsche Stadt geschlendert und haben die kleinen, kreativen Lädelchen bewundert und uns den Hafen, der sehr an Saint Tropez erinnert - finde ich zumindest- angeschaut. Nach einem abendlichen Schock, verursacht durch den Busfahrkartenverkäufer, der meinte, dass in keinem der beiden Busse Plätze frei seinen, kamen wir dann, nach zweistündiger Fahrt im Stehen, doch noch in Korinth an, wo wir uns erst einmal bei ein, zwei, (drei) Gläschen Wodka O am Strand erholt haben.
Übrigens in derselben Wohnung, in der Karenaki und Enli gewohnt haben. Am nächsten Tag ging es dann, trotz leichter Müdigkeit, durch ein Bad im Meer erfrischt, auf nach Alt- und Akrokorinth. Sowohl das Museum, als auch die Festung sind auch für „Nicht-Geschichtsbegeisterte" sehenswert, man sollte allerdings festes Schuhwerk tragen, um nicht (so wie ich) auf den Felsen herumzurutschen. Leider hat es auch in Akrokorinth gebrannt, weswegen von der grünen Reiseführerlandschaft nicht viel übrig ist. Aber gerade diese gespenstische Stille und die karge Gegend, so makaber das klingen mag, macht die Atmosphäre auf dem Berg zu etwas Besonderem.
Dora, Vica und ich waren dann noch kurz in Korinth, wo es wirklich geregnet hat (kaum zu glauben), dann mussten Vica und ich wieder heim nach Vasiliko fahren, da wir am nächtsen (Mon-) Tag ja arbeiten sollten. Als wir dann in Kiato ankamen, fand dort gerade die örtliche Heiligenfeier statt, das heißt, die halbe Stadt zog in einer riesigen Prozession durch die Strassen und feierte. Das war also mein erstes, wirklich ereignisreiches Wochenende, das ich auch sehr genossen habe!
Zwischenbericht
Nach diesem Wochenende verfielen alle wieder in die Sigha-sigha-Stimmung, nur unterbrochen durch Vicas Abschiedsparty am Strand von Kiato. Ach ja: Annemari und ich haben im Auftrage von Efthimios (unser „Boss“) einige höchst anspruchsvolle Bastelarbeiten erstellt, wie zum Beispiel Äpfel aus buntem Karton auf einen aufgemalten Apfelbaum aufzukleben, erstellt. Außerdem haben wir fleißig im Büro gearbeitet, was so viel heißt wie: „wir haben versucht, unsere Stühle in Richtung des Ventilators zu schieben und nicht zu gelangweilt auszusehen“. Einige Essgelage später hatten wir doch dann tatsächlich Urlaub, der wirklich toll war, denn wir unternahmen...
Die große Reise
Nach einigen Tagen extremer Langeweile beschlossen Judith (Luxemburg), Anne aus Dänemark (beide Freiwilligen in Xylokastro) und ich, unseren Urlaub spannend zu gestalten. Also planten wir eine Reise quer durch Griechenland bis nach Istanbul. Auf der ersten Hälfte unseres Trips hatten wir noch männliche Begleitung: Selim (Österreich/ Xylokastro) und Josh (England/ ehemals Vasiliko).
Nach einer Nacht auf dem Athener Bahnhof, nahmen wir den Zug nach Kalambaka, einer Stadt am Fuße der Meteorafelsen. Nachdem wir dort dann eine Unterkunft (Dreibettzimmer zu fünft) und einige Pitarestaurants, auf Selims Motivation hin, ausfindig gemacht hatten, unternahmen wir noch einen langen Abendspaziergang und gingen dann, um am nächsten Tag fit zu sein, schlafen. Das heißt: Alle anderen schliefen, ich hab die Nacht auf dem Boden verbracht, da Josh nicht bereit war, mir 30 cm seines Bettes zu überlassen und mich im Schlaf aus dem Bettenlager gekickt hat. Dank eines provisorischen (Dia-)Frühstücks war aber dann auch ich halbwegs in der Lage, die Klöster zu besichtigen. Zum ersten, größeren der sechs Monasterien brachte uns noch ein Bus, zum zweiten, einem Nonnenkloster, mussten wir wandern. Aber es hat, obwohl wir wieder einmal fast gestorben sind vor lauter Hitze, gelohnt! Nicht nur die Klöster, die Museen und die Atmosphäre sind beeindruckend, sondern auch die fantastische Aussicht die man von den Felsen aus hat!
Irgendwann haben wir uns dann trotzdem auf den Rückweg gemacht, um dann weiter in Richtung des Olymps zu reisen. Man sollte vielleicht nebenbei bemerken, dass wir alle nur kleine Rucksäcke besaßen, die ganze Reise, vor allem für Judith und mich, also zu einer Art „Survivaltrip“ ;) wurde. Dort haben wir, mittlerweile nur noch zu viert, da Selim uns wegen Geldmangels vorzeitig verlassen musste, auf einem Campingplatz übernachtet.
Bei dieser Aktion wurde uns zum ersten mal bewusst, dass zwischen Männern und Frauen, was Reife und Entwicklung anbelangt, ein Unterschied besteht, da sich unser „Küken“ Josh (17) eine geschlagene halbe Stunde lang über die Zumutung, auf dem blanken Boden zu übernachten, beschwerte, bis Anne sich schließlich bereit erklärte ihren Schlafsack mit ihm zu teilen. Abgesehen davon, dass wir uns eine Ameisenkolonie zum Übernachten ausgesucht hatten, was wir erst am nächsten Morgen bemerkten, verlief die Nacht doch noch friedlich und am nächsten Tag konnten wir nach Thessaloniki aufbrechen. Dort wollten wir uns natürlich die wichtigsten Touristenattraktionen (White Tower und Co) nicht entgehen lassen, aber die Sightseeing Tour gelang nicht ganz, das Judiths Schuh kaputt ging, einige der Sehenswürdigkeiten geschlossen waren und es mal wieder viel zu heiß war. Immerhin wurden wir nach einer 6-stündigen Zugfahrt, die Judith und ich in der Gepäckablage verbrachten (es gab mal wieder zu wenig Sitzplätze) mitten in der Nacht von Volunteers in Serres empfangen, die uns sogar ein ganzes Zimmer frei geräumt haben... Danke nochmal!
Von Serres aus ging es dann abends, nur noch zu dritt (Josh musste zurückfahren), weiter nach Istanbul, der Stadt unserer Herzen.
Istanbul
Zunächst einmal waren wir, dort angekommen, nach einer abenteuerlichen Fahrt im Nachtzug, in dem wir fast seekrank wurden, in unserem Schlaf durch Zollbeamte und Lokführer gestört, relativ erschöpft, weswegen wir uns ins nächste Café begeben haben. Schon dort wurde uns die türkische Gastfreundschaft bewusst, denn wir wurden gleich zu einem Apfeltee eingeladen. Auch auf unserer Suche nach einer Unterkunft legten wir eine unfreiwillige Teepause ein, zu der uns ein Teppichladenbesitzer einlud, obwohl er wusste, das wir nicht als potentielle Kunden unterwegs waren.
Zwei Stunden später, in den frühen Abendstunden, hatten wir dann auch ein Hostelzimmer, zu 9,50 pro Nacht, dafür mit Dusche, ergattert. Nach einem wohlverdienten Abendschläfchen, haben wir noch die Blaue Moschee besichtigt und sind durch die Strassen geschlendert. Geschlendert bedeutet aber nicht, dass unser Spaziergang entspannt verlaufen ist, denn als Tourist wird man von JEDEM Restaurantbesitzer auf das einmalige, billige und spezielle Menü des jeweiligen Lokals aufmerksam gemacht, und abgesehen von absoluter Nichtbeachtung, hilft nichts gegen diese Aufdringlichkeit.
Als wir gerade begannen, aggressiv zu werden, stürzte eine junge Frau auf uns zu und erzählte uns auf Englisch, dass sie schon seit 30 Minuten von einem Mann verfolgt wuürde, der sie nicht in Ruhe lassen würde. Sie schloss sich uns also an und wir beschlossen, essen zu gehen. So entdeckten wir ein kleines nettes Restaurant in einer Seitenstraße, das der Mann, der offensichtlich nicht ganz nüchtern und clean war, nach einigen Aufforderungen des Personals, das wir um Hilfe baten, sogar verlassen hat, weswegen der Abend doch noch nett wurde.
Noch netter war er dann, als uns die Restaurantbesitzer auch noch einluden, mit ihnen in einem Cafe Shisha rauchen zu gehen, was wir dann auch gemacht haben. Von diesem Abend an waren wir der türkischen Kultur verfallen und da uns unsere neuen Bekannten jeden Tag einluden oder Gesellschaft leisteten, konnten wir Istanbul also fast untouristisch kennenlernen.
Alles zu berichten würde zu lang dauern. Erwähnenswert ist noch unser Hamam-Besuch. Ein Hamam ist ein traditionell türkisches Bad, indem man gewaschen, gepeelt und massiert wird, was sehr entspannend ist...
Leider mussten wir am Mittwoch schon wieder zurückfahren, da ich am Freitag zu einem Checkup im Krankenhaus in Korinth musste (ich bin übrigens kerngesund), um die Erlaubnis für die Arbeit im Kindergarten zu bekommen. Auf jeden Fall haben wir uns in Istanbul verliebt, Judith und Anne wollen sogar dort ihr Erasmusprogramm machen...
Zurück in unserer griechischen Heimat ist uns jetzt natürlich langweilig und wir warten sehnsüchtig auf September, da dann endlich unsere Arbeit im Kindergarten anfängt, zwei Jugendaustauschprogramme stattfinden und unser Mid-Term-Meeting in Athen ist. Bis dahin füllen wir unsere Tage mal wieder mit Essen und Kochen aus, planen September, lesen viel und nehmen uns jeden Tag vor, Sport zu treiben! =)
Ach ja, nicht zu vergessen unser unermüdlicher Kampf gegen die Killermücken hier, der allerdings aussichtslos zu sein scheint... Ich werd dann auch mal aufhören und gelobe, regelmäßiger zu schreiben. Fotos füge ich bei, wenn ich die CDs der anderen Freiwilligen habe.