Die Drusen - Eine einflussreiche Geheimreligion im Libanon
In meinen Reisen durch den Libanon begegne ich schiitischen, sunnitischen Muslimen, verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften, aber eine Gruppe weckt mein Interesse durch ihren Mystizismus besonders: Die Drusen
Entstanden Mitte des 11. Jahrhunderts in Syrien aus einer muslimischen Tradition heraus, breiten sich die Drusen unter verschiedenen religiösen Führern bis nach Indien im Osten und Israel im Süden aus. Ihre Lehre ist an den Koran angelehnt, allerdings enthält sie auch Elemente des griechischen Philosophen Platon: So glaube die Drusen an Seelenwanderung, ähnlich der buddhistischen Reinkarnation; ein sterbender Mensch wird in der Seele eines Babys wiedergeboren.
Aus dieser Logik heraus erklärt sich auch, warum die Drusen-Gemeinschaften so exklusiv sind: Man kann nicht zum Drusentum konvertieren oder sich einheiraten, nur als Kind drusischer Eltern ist man Druse, da in einem die Seele eines "Eingeweihten" wiedergeboren wurde. Generell ist über die Drusen nur sehr wenig bekannt und sie gelten als Mitglieder einer Geheimreligion, auch ihre Traditionen und Rituale finden nur unter Geheimhaltung statt. Erzählungen nach haben sie ihre Gemeinschaft wegen der Feindlichkeit in der islamischen Welt verschlossen, und missionarische Aktionen sind sogar unerwünscht, weil sie "Unwissenden" das Drusentum preisgibt.
Weil für die Drusen Mohammed nicht der eigentliche Prophet und der Koran nicht die Offenbarung Gottes darstellt, werden sie von einigen muslimischen Gelehrten verpönt, so wurde sogar eine Fatwa, ein muslimisches Rechtsgutachten, ausgesprochen, die die Drusen neben Alawiten als Ketzer und Ungläubige darstellt und für gewaltsame Übergriffe verantwortlich war.
Lediglich im Libanon spielen die Drusen gesellschaftlich und politisch eine Rolle, hier stellten sie sogar die Vorherrscher in der Region während des osmanischen Reiches und es wurde ein autonomes Drusen Emirat ausgerufen. Auch noch heute findet man viele drusische Dörfer in den Bergen, die Männer tragen schwarze Gewänder und weiße Kopfbedeckungen und man findet dort keine Moscheen – Auf mich lösen Geheimreligionen wie die Drusen eine unglaubliche Neugier aus, warum haben sie sich zur Abschottung entschlossen, in einer Zeit voller Missionierung durch Kreuzritter und muslimischen Führern? Welche Geheimnisse hüten sie bis heute? Wie sieht ihr Alltag aus? Zu gerne hätte ich aus echten Begegnungen mit Drusen berichtet, aber sie leben ihre Werte der Verschwiegenheit, der Treue und Verantwortungsbewusstsein – Und einer Reisenden wie mir wird freundlich begegnet, aber ohne auch nur eine Kleinigkeit über ihre Geheimreligion zu verraten...
In ihren Siedlungsgebieten in Israel, in Syrien und Jordanien sind die Drusen allerdings gespaltener; und ihre entschiedene Distanzierung zu anderen muslimischen Gruppen sorgt für Spannungen. So beispielsweise in Israel: Auf den Golanhöhen im israelischen Gebirge leben viele drusischen Gemeinden, abgeschottet von der lokalen Gesellschaft. Bis zum syrischen Bürgerkrieg haben sie sich selber als Syrer, als Araber gesehen, aber nun geraten sie in eine Identitätskrise; wollen sie sich weiterhin zu Syrien und Assad bekennen? Oder zum modernen, westlichem Israel? Gerade viele junge Menschen gehen zum Studieren ins Ausland und arbeiten erfolgreich in Israel, aber trotzdem kehren die meisten zurück- Denn das Drusentum bestimmt ihre Identität.
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