Der Kritiker in mir
Warum sind wir so hart zu uns selbst?
Wie viele Erfahrungen man über sich selbst machen kann, die zeitlich weit mehr als 3 1/2 Monate in Anspruch hätte nehmen müssen, lernt man wohl erst, wenn man sich selbst in einem Land alleine aushalten muss.
Der Kritiker
Der Grund meiner Abwesenheit begründet sich darauf, dass ich mich selbst eingeholt habe. Um das zu verstehen, sollte man wissen, dass der stärkste Kritiker meiner Zeit wohl ich selbst bin. Laut seiner Prognose von vor einem Jahr sei es essentiell, sich aus den schützenden Mauern der Komfort Zone zu bewegen und eine Welt zu erkunden, die von der meiner angehörigen Schicht abgewertet und ignoriert wird: Der Obdachlosigkeit. Und er hatte Recht. Gleichzeitig sagte er aber auch, dass es eine Herausforderung sein werde. Diejenigen, die mich kennen, können sagen, dass sie mich nie und nimmer in der sozialen Welt als Helfer gesehen hätten. Und doch wusste der Kritiker, dass zwar Werte wie Freiheit, Respekt und Gleichberechtigung gelernt werden können, aber ich diese auch leben sollte. Und das tue ich nun. Genauso wie mit der Herausforderung, nun alleine mit mir klarzukommen.
Der Weg in den Strudel
Eine weitere Gabe meines Kritikers ist aber offentsichtlich, mich selbst zu kritisieren. Diesen Kampf führen wir nun schon seit geraumer Zeit und dennoch konnten mich Zuhause immer Familie, Freunde und Lehrer auffangen, indem sie an mich geglaubt und gestärkt haben. Mit der Entscheidung nach Irland zu kommen, geht aber auch einher, nun alleine mit meinem Kritiker zu sein. Ein alltäglicher und schleichender Kampf. Während es mir meine Persönlichkeit erlaubt, mich als beobachtend und denkend zu beschreiben, lasse ich mich aber durch Vergleiche schnell verunsichern. Sowohl bei der Arbeit als auch im persönlichen Umfeld nehme ich mich unbewusst immer in die Mangel und bin erschreckend hart zu mir selbst. Härter als ich mit jedem anderen wäre.
Dabei sind meine Ansprüche so hoch, dass ich mich mit Muttersprachlern, Mittzwanzigern, bereits studierten und arbeitenden Menschen in Bereich der sozialen Arbeit vergleiche und genauso viel, wenn nicht noch mehr von mir verlange. Wer wird dabei vergessen? Meine Stärken und ich. Und dann passiert mir ein Fehler und der Kritiker in mir stürzt sich drauf. Ich bin im Strudel.
Meine Mentorin fragte mich an der Stelle eine entscheidende Frage: Warum dürfen alle anderen Menschen Fehler machen und menschlich sein, bis auf ich selbst?
Und daran arbeite ich noch.
Die Herausforderung bin ich selbst
Meine Erkenntnis besteht also daraus, dass der Kritiker sowohl Engel als auch Teufel ist. Er wusste, ich muss mich mit ihm alleine auseinandersetzen. Angesicht zu Angesicht. Und der einzige, der sich daraus retten kann dieses mal, bin ich selbst.
Rat und Unterstützung hole ich mir zwar ein, der Kampf wird allerdings von mir alleine geführt. Meine Mentorin sagte dabei, dass dieses soziale Jahr zwar primär um die soziale Erfahrung geht, aber in zweiter Linie um Personal Growth. Denn es gibt kein besseren Umfeld als das soziale, menschlich zu sein und auf sich selbst Acht zu geben. Und das muss ich lernen.