Der Anfang vom Ende
240 Tage rum, es bleiben 29.
Es ist schon lange mal wieder Zeit für ein paar berichtende Zeilen aus Amsterdam. Mittlerweile ist bereits Mai und damit hat der letzte Monat meines Freiwilligendienstes begonnen. Das ist ganz schön seltsam, aber ich habe ja noch ein bisschen Zeit, um mir das bewusst zu machen. Jetzt erstmal die Erlebnisse aus den letzten Wochen:
Freizeit - ocio - leisure - vrije tijd
Vor allem zusammen mit Natalia und Marina habe ich jede Menge cooler Sachen unternommen. Wir waren beispielsweise zusammen mit Natalias Vater in Brüssel, haben dort eine Nacht übernachtet und waren am nächsten Tag in Brügge, einer kleineren Stadt auch in Belgien. Es hat mich sehr gefreut, dass sich die Gelegenheit ergeben hat, auch wenn Brüssel jetzt meiner Meinung nach keine sonderlich schöne Stadt ist, wenn man Amsterdam gewöhnt ist. Aber vielleicht bin ich auch etwas verwöhnt.
An einem sonnigen Tag (ja, es war gefühlt wirklich nur einer bisher) sind wir zusammen an den Strand gefahren und lagen den ganzen Nachmittag bei 23 Grad im Bikini im Sand. Am nächsten Tag waren es dann wieder nur noch neun und Regen. Ja, so ist das leider, der Frühling ist hier irgendwie noch nicht so richtig angekommen.
Eine andere supercoole Aktion war unser Besuch bei der Flight Simulation Company am Flughafen Schiphol. Das hat sich durch Natalias Vater ergeben, der dort arbeitet und uns eine Trainingsstunde organisiert hat. Das hieß, dass wir also alle mal ein Flugzeug fliegen durften. Und mit Flugzeug meine ich ein richtig echtes großes Passagierflugzeug. Natürlich war das „nur“ ein Simulator, aber der soll ja dazu dienen, dass die angehenden Piloten die Möglichkeit haben, an möglichst realen Geräten ausgebildet zu werden. Und das wiederum heißt, dass das Flugerlebnis identisch ist, wie in einem richtigen Flugzeug. Also wirklich, das Gefühl beim Abheben, die Beschleunigung, die Turbulenzen war genau gleich wir beim normalen Fliegen. Nur dass man normalerweise natürlich nicht selber im Cockpit sitzt und das Flugzeug steuert. Mit einem richtigen Piloten als Copilot durfte dann jeder mal eine Runde über Amsterdam drehen, mit Start und Landung, allein mit den Anweisungen von Marijn, unserem Piloten. Das war total verrückt und ein unglaublich cooles Erlebnis. Ich hätte nie gedacht, dass ich sowas mal machen werde.
Neulich war ich mal kurz in Deutschland, ziemlich spontan und nur für einen Tag, denn ich habe mir die Uni in Osnabrück angeschaut. Dazu bin ich nachts um viertel vor vier aufgestanden, um fünf mit dem Zug losgefahren und war um halb neun in Osnabrück. Das frühe Aufstehen hat sich aber gelohnt, ich habe viele Infos bekommen und es war ein echt interessanter Tag.
Dann hatte ich auch mal wieder Besuch, zum Beispiel von einer meiner Cousinen, die spontan zusammen mit einer Freundin mit dem Auto an den Strand fahren wollte und dann schließlich in Amsterdam gelandet ist.
Letzte Woche war es schließlich so weit: Der wichtigste „Feiertag“ der Niederlande, der Koningsdag, stand an. Mit Feiertag meine ich feiern im wahrsten Sinne des Wortes. Ganz Amsterdam war eine einzige Party, alle Straßen waren voller Menschen mit orangenen Perücken, Tshirts, Krönchen usw. Überall hatten die Leute kleine Stände aufgebaut um ihre gebrauchten Sachen zu verkaufen. Amsterdam war also nicht nur eine einzige Party, sondern auch ein einziger Flohmarkt. Ganz schön verrückt das Ganze.
Dieses Wochenende habe ich ein kleines Wellnesswochenende eingelegt und bin mit dem Zug in die ruralen Gegenden der Niederlande gefahren. Raus aus der Großstadt – rein in die Pampa sozusagen. Ich war bei Lissy in Ysselsteyn, die dort auf einem deutschen Soldatenfriedhof arbeitet. Das war total interessant und natürlich ein ziemlicher Kontrast zu Amsterdam. Dank dem wunderschönen Wetter in der Provinz Limburg, habe ich mich dort gefühlt wie im Urlaub und bin jetzt komplett tiefenentspannt.
„Arbeit“ – „trabajo“ – „work“ – „werk“
Mir hat es ja im Centro Cultural schon immer gut gefallen, aber mit mehr Leuten ist es einfach noch viel cooler. Wir sind mittlerweile neun Freiwillige, hinzugekommen sind zwei Italienerinnen und eine Japanerin. Wir sind als Gruppe richtig eng zusammengewachsen und verstehen uns alle richtig gut. Ob beim Kochen, Essen, Spülen, oder bei den Teambuilding Activities, wir haben immer mega viel zu lachen an der Arbeit. Es ist wirklich schön, so viele tolle Leute tagsüber um einen herum zu haben, dafür bin ich echt dankbar. Auch außerhalb der Arbeit machen wir ab und zu was zusammen, neulich waren wir zum Beispiel in Haarlem und haben uns den Bloemencorso angeschaut. Das war ein großer Umzug mit Wägen, die nur mit Blumen geschmückt waren.
Vor ein paar Wochen hatte ich auch mal einen „Außeneinsatz“ und zwar war das Centro Cultural zu einem Meeting eingeladen, das von der Stadt Amsterdam organisiert wurde. Da sollte es um gute Welcome Policy für EU-Migranten gehen, also darum was europäische Städte anbieten sollten, um es Menschen aus anderen EU-Ländern leichter zu machen, sich wohlzufühlen. Dort war ich zusammen mit Michelina, meiner italienischen Mitfreiwilligen. Das war echt eine interessante Veranstaltung und man hat sich total wichtig gefühlt, dort in dem Meetingraum auf den Meetingsesseln.
In der letzten Zeit organisieren wir an der Arbeit auch ein paar größere Sachen, wir haben zum Beispiel eine Boat Party gemacht, bei der fast 90 Leute dabei waren. Leider sind dabei mehrere Sachen schiefgegangen, erstmal sind wir eine halbe Stunde später als geplant losgefahren, weil mehrere zu spät gekommen sind oder dann doch noch kurz aufs Klo mussten (Spanier/Latinos…). Das hat mich als pünktliche Deutsche mal wieder sehr herausgefordert. Dann ist eines der zwei Boote nach einer Stunde liegengeblieben, weil irgendwas kaputtgegangen ist. Und da sie vergessen hatten die Musik leiser zu drehen, haben sie auch noch eine fette Geldstrafe von der Polizei bekommen. Das alles haben wir, die auf dem anderen Boot saßen, aber erst mitbekommen als wir schon wieder zurück waren, denn in dem Moment, als mich Tenochtl angerufen hat um mir Bescheid zu sagen, ist mein Handy ausgegangen und es ist bis heute noch aus. Also es ist kaputt. Bis auf diese weniger optimalen Zwischenfälle war das Ganze aber eine ziemlich coole Aktion und so bin ich auch mal zu meiner obligatorischen Grachtenfahrt durch Amsterdam gekommen.
Abschied - despedida - goodbye - afscheid
Am 12. April war für mich der Anfang vom Ende meines Freiwilligendienstes. An diesem Tag ist Natalia, mit der ich unglaublich viel Zeit verbracht habe und immer super viel Spaß hatte, zurück nach Kolumbien geflogen. Sie war für acht Monate in Amsterdam, hat bei ihrem Vater gewohnt und war quasi meine Nachbarin. Wir haben eine wirklich tiefe Freundschaft aufgebaut, ohne die die ganze Zeit hier wahrscheinlich ganz anders verlaufen wäre. Ob zum Englisch Unterricht im Centro Cultural, zum Feiern gehen in der Stadt, zum Film gucken bei ihr zu Hause oder zum Kaffee trinken bei mir – wir hatten eigentlich jeden Tag Kontakt. Der Abschied war komisch, denn man weiß ja nicht, wann und wo wir uns mal wiedersehen. Aber ich bin mir sicher, dass der Kontakt weiter bestehen wird, auch wenn wir uns nicht so ganz schnell wiedersehen.
Emotionen - emociones - emotions - emoties
Tja so neigt sich alles dem Ende irgendwie. Heute in einem Monat werde ich im Auto auf dem Weg nach Deutschland sitzen. Acht Monate wohne ich nun schon in Amsterdam und mit jeder Woche wird die Vorstellung seltsamer, dass ich in wenigen Wochen einfach hier weggehen werde und alles vorbei sein wird. Einerseits habe ich oft gedacht, dass es schade ist, dass mein EFD nur neun Monate geht. Andererseits habe ich in letzter Zeit aber auch gedacht, dass ich mich sehr darauf freue, wieder nach Hause zu kommen. Ich freue mich darauf, wieder eine Weile bei Mama und Papa zu wohnen, dreckiges Geschirr einfach in die Spülmaschine zu räumen, kein Shampoo mehr für sechs Euro kaufen zu müssen… Es gibt schon eine Menge Dinge, die für das Leben zu Hause in Deutschland sprechen.
Ende Mai werden auch die meisten der aktuellen Freiwilligen an der Arbeit fertig sein mit ihren Praktika. Viele meiner Schüler, die regelmäßig zum Englisch Unterricht kamen, kommen nicht mehr, weil sie einen Job haben oder woanders hingezogen sind. Ich denke, dass das vielleicht den Abschied erleichtern wird, denn die Leute sind ja schließlich das, wodurch man sich im Ausland wohlfühlt.
Hm, wenn ich mir das gerade mal recht überlege, ist es eigentlich noch etwas früh für solch melancholische Worte. Ich glaube, die hebe ich mir lieber für den letzten Post auf. Mir bleiben schließlich noch vier Wochen in den Niederlanden, die ich so gut wie möglich nutzen möchte :)
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