Das Phoenix Projekt
Meine ersten Tage in dem doch recht verträumten, kleinen, südfranzösischen Dörfchen Burlats entwickeln sich zu einem wahren Abenteuer zwischen französischer Cuisine und Krankenhaus.
Es ist dieses merkwürdige Gefühl, was man hat, wenn man von irgendwo abspringt. Ein Schockmoment, in dem du denkst, du fällst. Wie ein Blitz durchzuckt dich das, du fühlst dich haltlos und hilflos und weißt nicht, wo du bist, wo du landest, du schwebst im Raum. Du vergisst sogar, dass da unter dir eigentlich immer noch der Boden ist, sein muss. Du könntest in diesem Moment in den weichen Kissen deines Bettes landen oder von der nächsten Klippe stürzen oder einfach nur die Treppe runterfallen. Doch dieser eine Moment des Fallens fühlt sich immer gleich an. Normalerweise dauert er nur ein paar Sekunden. Doch bei mir dauerte er ein paar Tage.
Zum Glück hatte ich Priscilla, die ehemalige Freiwillige meines Projekts, die mich in der ersten Woche hier in Frankreich aufgefangen hat und mir etwas Boden unter den Füßen gegeben hat. Am Anfang war alles noch neu und es war toll, jemanden zu haben, der einmal in der gleichen Situation war. In dieser einen gemeinsamen Woche ist sie für mich zu einer guten Freundin geworden. Sie konnte mir von ihren Erfahrungen erzählen, mir die Arbeit hier zeigen und hat mit mir eine Tour durch meinen Wohnort Burlats und die Nachbarstadt Castres gemacht.
Fangen wir in Burlats an:
Burlats ist ein kleines, romantisches, verträumtes Dörfchen, mitten in der grünen Berglandschaft Südfrankreichs versteckt. Natur pur!
Und auch wenn facebook und google earth das manchmal nicht so ganz wahrhaben wollen: Es existiert! Wirklich! Klein, aber oho! Ich habe mich sofort in das niedliche Dörfchen verliebt...
Ich wohne hier in der Jugendherberge "Moulin Des Sittelles" ("Mühle der Kleiber", eine Vogelart, die ich hier jedoch noch nicht gesehen habe), die sich auf Musikprojekte mit Kindern spezialisiert hat und seit zehn Jahren jeweils für 12 Monate eine Freiwillige aufnimmt. Durch Priscilla, die 2009/2010 hier gearbeitet hat, habe ich schon in der ersten Woche einen Eindruck vom Leben als Freiwillige hier bekommen: Ich werde im Büro, im Service, im Garten, handwerklich und kreativ arbeiten, Einkäufe erledigen und die Animateure und Musiklehrer unterstützen. Eigentlich werde ich ein bisschen von allem machen und dort eingesetzt, wo es gerade notwendig ist. Außerdem habe ich noch den Freiraum, eigene Projekte zu realisieren. So konnte ich zum Beispiel schon ein Bücherregal für mein Zimmer bauen - auf das ich nach mehreren Wochen Arbeit sehr stolz bin - und bin dabei, weitere Ideen für die Verschönerung des Zentrums zu entwickeln.
Besonders hat es mir gefallen, Musik mit den Kindern einer Feriengruppe zu machen, die für drei Wochen hier war. Zusammen haben wir eine Show auf die Beine gestellt, in der man Popsänger, Rockbands, Komiker, Schauspieler, Tänzer und Jazzmusiker bewundern konnte. Ich habe mit meiner Klarinette in mehreren Gruppen mitgespielt und auch mitgesungen. Es waren zwar nicht allzu viele Zuschauer in Burlats, aber hauptsache wir hatten Spaß! Von ein paar Pannen und improvisatorischen Rettungsaktionen kurz vor dem Auftritt und ein paar Schwierigkeiten beim Übersetzen von französischen nach deutschen Noten und von c- zu b-Instrument abgesehen hat dann letzendlich doch alles geklappt! (Mehr über meine Projekte könnt ihr - auf französisch ;)- hier nachlesen:http://sve-moulin-des-sittelles.blogspot.com/)
15 Minuten braucht man mit dem Auto bis nach Castres, das im Vergleich zu Burlats ja eine Weltmetropole ist, jedoch noch gut überschaubar ;). Auch die Stadt Castres ist wunderschön und hat es mir gleich angetan! Nicht umsonst hat sie den Spitznamen "Petit Venice" ("Klein-Venedig"), wie man auf dem Bild unschwer erkennen kann.
Dort konnte ich dank Prissi sofort Kontakte knüpfen und wurde gleich am ersten Abend zum 5-Gänge-Menü eingeladen! (Dazu muss man sagen, dass Franzosen 1. gerne essen, 2. gerne viel essen und 3. gerne gut essen und dabei immer mit 1. MINDESTENS 3 Gängen, 2. MINDESTENS 1 Flasche Wein, 3. Baguette und Käse und wenn es sich anbietet, unbedingt magret de canard, Entenbrust, aber bitte schön blutig!) So wurden wir fast jeden Abend zum Essen eingeladen und zwar wirklich gutem Essen, bedenkt man den Kontakt zu einem amerikanischen und einem englischen Sternekoch. Außerdem habe ich auch schon einige waschechte Franzosen aus Castres und Straßburg, eine Italienerin, eine Engländerin und einen Iren und zwei andere deutsche Freiwillige in Castres kennen gelernt, was einem die Gelegenheit gibt, sich oft zu treffen und....ja, viel zu essen!
Und dabei sollte man das Trinken nicht vergessen! Was? Wein natürlich! Ganz typisch französisch waren wir schon auf einem Weinfest in Gaillac und haben dort von Weiß- über Rosé bis Rotwein alles probiert und besonders den vin doux als gut befunden!
Wie kommt es von einer Ameise zu einem Krankenhausaufenthalt?
Das haben sich wohl die französischen Ärzte gefragt, die mich freitags um Mitternacht in ihrer Notaufnahme begrüßt haben.
Witzige Geschichte: Zuerst passierte der Ameisenbiss, am Fuß, als ich nichtsahnend auf einer Wiese in der Sonne mein Buch las. (Das muss eine Mörderameise gewesen sein oder ein Mutant!) Ich habe Creme darauf geschmiert und plötzlich entwickelte sich eine Infektion, die freitag mitternacht solche ungewöhnlichen Ausmaße annahm, dass ich dachte, es wär besser, etwas zu unternehmen. So landete ich gleich nach weniger als einer Woche in Frankreich im Krankenhaus und habe dort die ganze Ärztecrew mit meinem Ameisenbiss amüsiert, die alle nacheinander in den Raum gekommen sind, um das Malheur zu bewundern. Nach einer Woche mit Bandage geht es mir jetzt wieder gut.
Inzwischen bin ich schon mehr als einen Monat hier! Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht! Es passiert so viel und es gibt noch viel mehr zu erzählen!
Für mich ist das hier eine Art Neuanfang, ein Start in ein neues Leben. Und um auf den Titel zurückzukommen, deswegen als Symbol dafür: Der Phoenix. Der Abflug hat schonmal geklappt.
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