Das Individuum Japaner
In Japan angekommen fragt sich eva_o: "Gibt es den typischen Japaner?" Auch wenn man charakterzüge nicht verallgemeinern kann, fallen ihr schnell einige Besonderheiten auf.
Natürlich kann man den Charakter keineswegs für ein ganzes Volk verallgemeinern. Innerhalb einer Volksgruppe sind so viele verschiedene Typen zu finden, vom Aussehen und vom Verhalten her. Und doch haben wir manchmal das Gefühl, innerhalb einer ethnischen Gruppe gewisse spezielle Charakterzüge zu erkennen.
Beim Aufeinandertreffen mit Japanern scheinen wir sehr stark verschiedene Eigenarten heraus zu spüren. In vielen Hinsichten können wir kulturelle Differenzen erkennen, die das Benehmen des Volkes prägen. Die erste auffällige Eigenschaft des Japaners ist der Fleiß. Arbeit scheint im Land der aufgehenden Sonne beinahe wichtiger als Familie zu sein. Natürlich, ohne Fleiß keine Arbeit, ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld kein Unterhalt der Familie. Ganz einfach, man kann Dinge eben von verschiedenen Seiten her anschauen.
Die Stellung bei der Arbeit ist Prestigesache. Je besser der Job, desto angesehener in der Gesellschaft. Erfolg ist das Codewort. Doch wer diesen haben will, muss sehr fleißig sein. Um Großes zu erreichen, muss früh nach oben gezielt werden. Dadurch wächst der Druck auf die Jugend enorm. Eine gute Ausbildung mit guten Ergebnissen ist essentiell. Darunter leiden dann halt manchmal die Freizeit, die Hobbys und die Wochenenden. Ist dann der perfekte Job erreicht, muss dieser auch gehalten werden. Doch die Konkurrenz ist hoch. Diese wird durch Überstunden und viel Investment in die Arbeit ausgeschieden. So kommt es, dass man den gleichen Vater, den man morgens um sechs in der U-Bahn traf, abends um neun nach Hause fahren sieht. Nicht zu übersehen, dass da nicht mehr viel Zeit für Familienleben bleibt.
Ein weiteres Problem der Arbeit ist der oftmals sehr lange Arbeitsweg. Um eine gute Stellung zu haben nimmt man gerne vier Stunden Zugfahrt pro Tag in kauf. Daher die vielen müden oder schlafenden Gesichter in den U-Bahnen. Nicht um sonst gilt die Selbstmordquote Japans zu den höchsten weltweit, vor allem bei den Jugendlichen. Der Druck und die Beflissenheit sind nicht jedermanns Sache. Öfters kann man bei der Zugfahrt auf Verspätungen treffen, aber nicht etwa auf Grund von Unpünktlichkeit oder Schlampigkeit, sondern wegen eines Selbstmordvorfalls im Zugliniennetz.
Aber dies heißt nicht, dass alle Japaner unglücklich leben. Japan wird nämlich auch das "Land des Lachens" genannt. Selten begegnet man einem garstigen Japanern, denn auf den Lippen ist immer ein Lächeln zu erkennen. Allein schon die Gesichtszüge lassen den Ausdruck immer strahlend aussehen. Der Japaner geht mit seinem Gegenüber extrem freundlich um und ist überdurchschnittlich hilfsbereit. Dem Touristen, der verwirrt nach dem Weg sucht, wird ohne dessen Nachfrage geholfen, und zwar mit allen Mitteln. Der Japaner denkt zuerst an seinen Nächsten und dann an sich.
Trotz des herzlichen Lachens ist der Japaner aber im zwischenmenschlichen Kontakt eher kühl. Körperkontakt ist eher selten. Anstatt Händedruck verbeugt man sich nur vor seinem Gegenüber. Trotz der Westernisierung sich Händchenhalten und Küssen in der Öffentlichkeit verpönt und gelten als Tabu. Die Schranken in zwischenmenschlichen Beziehungen sind sehr klar gesetzt. So gibt es Dinge, über die einfach nicht gesprochen wird und gewisse Distanzen, die eingehalten werden sollten.
Eine weitere Charakteristik ist die Bescheidenheit. Egal, wie groß sein Erfolg oder sein Können ist, der Japaner bleibt bescheiden. Lob wird mit verlegenem Lächeln abgetan und Größenwahnsinn und Selbstverliebtheit sind wohl unbekannte Wörter. Der Japaner protzt nie und strebt auch oft nach immer mehr, bis er mit sich selber zufrieden ist.
Oft verwurzelt im Schintoismus und Buddhismus ist der Japaner sehr abergläubisch. In Tempeln werden daher Wünsche auf Tafeln und Zettel geschrieben. Pech wird ebenfalls aufgeschrieben und an Plätzen deponiert um es loszuwerden. So werden viele Rituale gefeiert und zu Göttern gebetet.