das beste Jahr meines Lebens (?)
Mein Jahr in Rumänien: erlebnisreich, intensiv und positiv verändernd.
Diese Frage zu beantworten ist kompliziert und so einfach zugleich: anders. Ich bin anders als ich es ein Jahr davor war. 18 Jahre alt, frisch von Abi kommend, in Top und kurzer Hose am Fluss in der Sonne sitzend, bereit für die Abenteuer, die auf mich warten. Ich hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wer ich war. Ich kannte mich ziemlich gut und wusste, was ich mochte und was mir am Herzen lag.
Das dachte ich zumindest. Und tatsächlich sind Werte gleichgeblieben und meine Liebe zu Natur habe ich zum Beispiel auch nicht verloren. Aber ich habe viel gelernt und wertvolle Erfahrungen gemacht. Ich habe in Rumänien meinen spanischen Freund kennengelernt und dadurch hat sich ein Teil meines Leben auch stark verändert.
Die Entscheidung zu machen, ein Jahr im Ausland zu leben, ist einfach und schnell gefällt und bis zu meinem Flug nach Rumänien hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Die Zeit in Rumänien war unglaublich toll und es war vermutlich die beste Entscheidung, die ich je gemacht habe (und auch die erste richtig eigene Entscheidung in meinem Leben), aber dieses eine Jahr hatte nicht nur positive Seiten. Ich musste mich von einer Sekunde auf die andere in einem fremden Land zurechtfinden, ich musste mit den unterschiedlichsten Menschen klarkommen und was das schwerste war, ich musste mich erst einmal selbst wiederfinden. An den ersten Abend kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich kam in meiner Wohnung an und habe erst einmal geweint. „Was mache ich hier?“ Langsam wurde mir bewusst, dass ich hier ohne jemanden bin, den ich kenne. Meine Eltern sind verdammt weit weg. Diese Unsicherheit hat sich in den nächsten Monaten aber gewandelt, in Unabhängigkeit und Freiheit. Selbstfindung war ein großes Thema in meinem Auslandsaufenthalt, das die meiste Zeit aber unbewusst stattgefunden hat. Zwischen Kochen lernen, Hitchhiking, Reisen, Leute kennenlernen, meine Freizeit zu planen und Recycling-Workshops vorzubereiten, hatte ich gar nicht so viel Zeit darüber nachzudenken. Einen Alltag konnte ich in diesem intensiven Zeitabschnitt fast nicht finden. Ich habe ihn verzweifelt gesucht - aber nicht gefunden. Jeden Dienstag und Donnerstag ins Zumba gehen ja, das habe ich geschafft, aber die Projekte, die wir gemacht haben, waren immer wieder anders. Mal sind wir in die Schule gegangen, dann in den Nationalpark, oder wieder in den Kindergarten. Immer wieder kamen EVS-Freunde zu Besuch, oder wir sind selbst durch Rumänien gehitchhiked und haben das Land kennengelernt. Wir haben zusammen gegessen oder Partys gemacht. Ich musste mich aber auf all das einlassen. Wäre ich nicht offen gewesen für das, was auf mich zukommt, wäre dieses Jahr nicht so schön geworden. Ich hatte in Rumänien ein neues Zuhause gefunden und
als ich Zuhause in Deutschland ankam, war es erstmal schwierig wieder da zu sein. Meine Persönlichkeit hatte sich weiterentwickelt, die Bedeutung von Zuhause hatte sich verändert. Ich selber habe mich verändert, aber meine Familie hat es nicht, in Deutschland war alles so wie es war und ich habe da irgendwie nicht mehr reingepasst. Das war also der Preis.
Ich wollte mein eigenes Leben leben und ich bin ausgezogen. Die Verbundenheit zu meiner Familie hat sich aber verstärkt, ich habe eine tiefe Liebe zum Reisen entdeckt und durch die Menschen, die ich in meinem EVS kennengelernt habe, ist mir bewusst geworden, wie wenig man braucht um das Leben genießen zu können und glücklich zu sein.
Mein Bruder zieht mich damit auf, dass dieses Jahr Verschwendung war, ich hätte besser etwas sinvolleres tun sollen, zum Beispiel arbeiten gehen. Tatsächlich bringt mir dieses Jahr absolut nichts für meine akademische Zukunft.
Dieses Jahr geht unter die Haut, raus aus der Comfort Zone, und hat die Macht deine Persönlichkeit zu verändern. EVS hat mir die Chance gegeben innerlich zu wachsen und mir selbst zu vertrauen.
Arbeiten kann ich immer noch, aber mein EVS ist jetzt vorbei.