Copenhagenize – über die dänische Fahrradkultur
Das Lieblingsfahrzeug einer Nation.
Alle zwei Jahre bringt die internationale Urban-Design-Firma Copenhagenize eine Rangliste der fahrradfreundlichsten Städte der Welt heraus. Anhand von dreizehn Parametern, die unter anderem Infrastruktur, Anteil an Radfahrern und Priorität in der Stadtplanung beinhalten, vergleichen die Stadtplaner von Copenhagenize 122 Städte weltweit, um deren ‚bikeability‘ zu ermitteln. Den ersten Platz belegte im Jahr 2015 – Überraschung – Kopenhagen.
Das wird kaum jemanden wundern, der Dänemark schon einmal besucht hat. Das Fahrrad ist tief in die Kultur des nordischen Inselstaats verankert. Das hat hier Tradition - auf vielen Schwarzweißfotografien aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sind Menschen mit ‚cykel‘ abgebildet. Für die weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichten bedeutete das Radfahren damals eine Chance, raus aus der stickigen, engen Innenstadt in die Natur zu kommen. So etablierte sich das Fahrrad als Symbol für Freiheit, Aktivität und Gesundheit. In den Siebzigern und Achtzigern wurde im Zuge der Umweltbewegung neben Autobahnen und Brücken verstärkt in den Ausbau von Fahrradwegen investiert. Heute existiert ein umfassendes Netz an Fahrradwegen, das insgesamt mehr als 12.000 Kilometer umspannt. Anders als in Deutschland ist es nicht auf Stadtzentren und Wohngebiete beschränkt, sondern verläuft oft auch entlang der Landstraßen, die die Orte verbinden. Es handelt außerdem sich häufig nicht nur um Fahrradstreifen, sondern um separate, durch Grünstreifen vom Autoverkehr getrennte Fahrspuren. Eine Besonderheit ist allerdings, dass diese von Rollern und Mofas mitbenutzt werden dürfen.
Die Infrastruktur ist eigentlich überall gut instandgehalten, denn die dänische Regierung hat nicht umsonst in den letzten Jahren mehrere hundert Millionen Euro in den Ausbau der radorientierten Verkehrswege gesteckt. Diese Zahlen entsprechen aber auch dem Nutzwert. Etwa 90 % aller Dänen besitzen ein Fahrrad, und rund ein Viertel benutzt es trotz der manchmal widrigen Wetterverhältnisse, um zur Arbeit zu kommen. In Großstädten wie Kopenhagen, Aarhus und Odense stellt der Kostenfaktor auch heute einen nicht zu unterschätzenden Vorteil dar, denn der öffentliche Nahverkehr ist zwar exzellent, was Verbindungen und Pünktlichkeit angeht, aber kostspielig, vom Autofahren ganz zu schweigen. Dazu kommen der allgemein aktive, gesundheitsbewusste Lebensstil der Dänen, und die Tatsache, dass man in den Städten mit dem Rad oft schneller ist als mit anderen Verkehrsmitteln. Vielleicht hilft es aber auch, dass es hier keine Berge gibt, sodass kurze Radtouren selten besonders anstrengend sind.
Insgesamt ist Dänemark ein gutes Vorbild, was nachhaltige Stadtentwicklung angeht. Das dänische Modell legt den Schwerpunkt auf die Interessen von Radfahrern und Fußgängern, und sorgt so für ruhige, sichere Innenstädte und klare Luft. Die Fahrradkultur ist auch aus Umweltgründen ein Kernthema in der Stadtverwaltung Kopenhagens, die es sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2025 die erste CO²-neutrale Hauptstadt der Welt zu werden. Ein ehrgeiziges Vorhaben, doch nach meinem Eindruck durchaus machbar.