Bestandsaufnahme eines Wochenendes
Eine kurze Zusammenfassung des Riksårsmöte der Grön Ungdom 2019 in Lund.
Bestandsaufnahme:
Ich sitze auf einem Regal in einer Schule in Lund. Neben mir wird auf zwei provisorisch zusammengeschobenen Tischen Tischtennis gespielt, auf der anderen Seite scheint sich ein Gespräch um Politik zu drehen. Auch nicht ganz verwunderlich, denn ich befinde mich auf dem Riksårsmöte 2019 der Grön Ungdom, der schwedischen Grünen Jugend. Es ist kurz vor Mitternacht und angesichts des morgen noch anstehenden straffen Zeitplans sollte ich vermutlich lieber auf meiner zu harten Matratze liegen, um wenigstens ein wenig Schlaf zu bekommen, aber RÅM ist immerhin nur einmal im Jahr und dass ich dieses Mal mit dabei bin, wohl auch nur eine einmalige Sache.
Mein Eindrücke der letzten 36 Stunden zusammengefasst:
1. Ich habe auf der Zugreise das Meer gesehen. (Wo ist der Herzsmiley, wenn man ihn braucht?) Und wenn ich „Meer“ sage, dann meine ich einen wirklichen Strand mit Wellen und keinen Hafen, wie in Göteborg, Oslo oder Stockholm.
2. Ich habe gelernt, dass Skåne, die Region, in der ich mich gerade befinde, bekannt für seine Falafel ist. Angesichts der Tatsache, dass auch Tacos in Schweden als Nationalgericht gehandelt werden, hat mich das aber nicht allzu sehr überrascht.
3. Wenn etwa 30 junge Leute mit Koffern und Taschen bepackt gemeinsam durch eine Stadt laufen, dann fühlt sich das ganz schnell nach Klassenfahrt an, auch wenn einen „nur“ die politische Einstellung eint.
4. Alle schwedischen Gymnasien scheinen eine riesige Aula und freies Wlan zu haben. Von den Plakaten, die hier herumhängen, ausgehend, gibt es zudem wohl eine eigene Gruppe von Amnesty International und die Klassenfahrten gehen nach Usedom, Greifswald und Prag.
5. Auch wenn sich mehr als 100 Leute um einen herum unterhalten, ist es kein Problem sich auf das Schreiben eines Blogeintrags zu konzentrieren. Das trifft aber nur zu, wenn es sich bei der gesprochenen Sprache, von mir ausgehend, nicht um Deutsch oder Englisch handelt. Mein Schwedisch ist, an dieser Stelle zum Glück, noch nicht so gut, dass ich komplette Gespräche verstehe. Einfach abschalten geht da also super, weil ich nicht noch irgendwie mit einem Ohr mithören kann. Nervig wird es dann, wenn immer mal englische Worte oder Sätze mit einfließen oder das Schwedisch so einfach ist, dass auch ich es verstehe.
6. Die weniger angenehme Seite des Mein-Schwedisch-reicht-noch-nicht-für-komplette-Gespräche ist, dass es die Sache, schnell neue Leute kennenzulernen, etwas schwieriger gestaltet. Wenn du bis auf zwei, drei andere Teilnehmer bisher keinen kennst, alle anderen sich aber schon einmal getroffen zu haben scheinen und von dir annehmen, dass du Schwedisch sprichst, fühlst du dich auch in einer großen Gruppe von Menschen im selben Alter schnell mal einsam. Sich in Gespräche mit einzuklinken geht nun einmal nur, wenn man auch weiß, über was eigentlich geredet wird. Da reicht es leider auch nicht, einige Wortfetzen aufzuschnappen. Aber hey, nichts ist unmöglich!
7. Es ist super interessant zu sehen, wie so ein nationales Jahrestreffen einer politischen Jugendorganisation abläuft. Man trifft die unterschiedlichsten Persönlichkeiten, wohnt mit Einsatz geführten politischen Debatten bei und spürt die Begeisterung für den gemeinsamen Wahlkampf bei den kommenden EU-Wahlen. Ich selbst bin gerade unfassbar motiviert in den nächsten Monaten als Mitglied der Grön Ungdom aktiv und auch nach meinem Freiwilligendienst in Deutschland weiter bei der Grünen Jugend dabei zu sein.
8. Ein Seminar mit einem EU-Abgeordneten der Grünen kann auch auf Schwedisch sehr inspirierend sein. Besonders dann, wenn er die Problematik des Kohleausstiegs mit Zimtschnecken erklärt.
9. Auch wenn ich die Rede von Gustav Fridolin, Parteisprecher der Miljöpartiet de Gröna, nicht komplett verstanden habe, war ich danach doch sehr begeistert. Obwohl er für mich vorher eher unbekannt war und ich ihn wahrscheinlich nur mal kurz im schwedischen Fernsehen gesehen habe, waren seine Worte sehr einprägsam für mich. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass man auch als Jugendlicher viel bewegen kann, und hat genau diese Einstellung an uns weitergegeben.
10. Eine Party, auf der alle Namensschilder tragen und man fast die einzige Person ist, die den Text der Lieder nicht mitsingen kann, ist schon ziemlich witzig. Das schwedische Pendant von deutschen Schlagern á la Helene Fischer ist dann doch nicht ganz mein Spezialgebiet, aber immerhin konnte ich mit einigen wenigen anderen Nicht-Schweden über unsere Unwissenheit und den inbrünstigen Gesang der anderen lachen.
11. Auch wenn ich nächsten Jahr nicht mehr in Schweden bin: Gerne wieder!
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