Auf Erkundung
Erste Streifzüge in Náchod
Nachdem ich an meinem ersten Tag in meiner neuen Heimatstadt den Markt und das Denkmal des aus Náchod stammenden Dichters Josef Škvorecký erkundet hatte zog es mich ein weiteres Mal in die Richtung des Schlosses und des anschließenden Forstes. Dort fand ich eine weitere Gemeinsamkeit mit unserer Heimatstadt: Auch hier gibt es einige Wildgehege mit Mufflons und Dammwild (interessanterweise in einem alten Amphitheater). Zudem muss es in der Nähe ein Soldatenmemorial geben, das mir aber für den Anfang zu weit entfernt war. So bleibt gleich ein weiteres Ziel, das ich später noch besuchen kann. Weiter führte mich mein Weg zurück ins Stadtgebiet, vorbei an Plattenbauten, Potravinys (Einkaufsläden) und alten Industrieruinen. Eine Überraschung stellte für mich die Bahnhofsanlage dar: Es gibt hier tatsächlich noch Angestellte, die – von Hand – die Schranken herauf- oder herunterbewegen! Auch die Züge erinnerten ein wenig an alte Zeiten, meist aus einem oder zwei Wagen bestehende Gefährte. Meinen Stadtplan nach weiteren „must-have-seens“ durchsuchend entschied ich mich dazu, den örtlichen Fluss, die Metuje, auszukundschaften. Es stellte sich aber heraus, dass mir dabei ein kleines Hindernis in den Weg gesetzt wurde: Die Hauptstraße in Richtung der polnischen Stadt Kudowa-Zdrój ist derzeit eine einzige Baustelle. Statt sie also, wie geplant, einfach zu kreuzen, unternahm ich notgedrungen eine kleine Wanderung am Baustellenzaun entlang. Nicht wissend, dass das durchschrittene Viertel meine zukünftige Wohngegend sein sollte…
Als ich schließlich an der Metuje ankam war ich von deren Charakter doch ein wenig überrascht: „Fluss“ ist womöglich nicht die richtige Bezeichnung für diesen Wasserlauf, vielmehr gleicht er einem stehenden Gewässer mit minimaler Fließgeschwindigkeit. Dazu kommt die tiefgrüne Farbe ob der vielen Wasserpflanzen darin. Ein paar Fische konnte ich ebenfalls ausfindig machen, kleine zuerst, später jedoch auch Exemplare von der Größe einer ausgewachsenen Bachforelle. Eine interessante Vorstellung, dass das hiesige Wasser mit der Labe – also deutschsprachig der Elbe – im weiteren Verlauf durch Dresden und sogar Hamburg fließen wird. Im Notfall kann ich also per Flaschenpost Kontakt aufnehmen :)
Bei meinen Streifzügen durch das Stadtzentrum überraschte mich, wie viele „heimische“ Läden es hier gibt: Direkt gegenüber unserer Wohnung befindet sich ein Penny-Markt, ein Stück weiter Kaufland und Lidl. Wer vom Urlaub in den Niederlanden besser mit Albert Heijn vertraut ist kann auch in einem der tschechischen Äquivalente einkaufen. Drogerieprodukte bekommt man bequem bei DM bzw. Rossmann, für Fragen zum Bausparen ist das Büro von Wüstenrot geöffnet, bei Problemen mit der mobilen Kommunikation jenes von Vodafone oder eben der Telekom. Für ein angemessenes modisches Auftreten lohnt ein Besuch bei Deichmann oder Takko. Zubehör und Einrichtungsgegenstände liefert JYSK – in Deutschland bekannt unter dem Namen „Dänisches Bettenlager“. Wenn deren Sortiment nicht ausreicht hilft eventuell auch eine Fahrt zu einem der OBI-Märkte im Umkreis… Sollte bei diesen vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten das Bargeld knapp werden: Raiffeisen- und UniCredit Bank liegen einander in Náchod direkt gegenüber :)
Nachdem ich in der letzten erkundeten Straße, der „Kamenice“, wohl die Hauptschlagader des lokalen Shoppingangebots gefunden hatte (mehrere Sportläden, idealerweise sogar ein Spezialgeschäft für Schwimmsachen, Bücherei, ein günstiger vietnamesischer Laden mit allen mehr oder weniger nötigen Produkten, ein italienisches Restaurant, frisches Gemüse – und Eis, …) ging es wieder zurück in die Wohnung, um meine Präsentation über mich selbst und mein Heimatland fertigzustellen. Entgegen den bisherigen Erfahrungen mit den (stereotypisch perfekt organisierten) Deutschen steckte diese bei mir nämlich noch in den Kinderschuhen. So ließ sich also auch die verbleibende Zeit bis zur Ankunft der übrigen Volontäre füllen. In den Abendstunden war ich zudem zu den letzten Treffen unserer „Vorgänger“, der Freiwilligen 2015/2016, eingeladen. Welch tolle Geste! Diese Abende waren voll schöner Momente, obwohl ich die Truppe ja kaum kannte. Ich wurde dort super eingebunden, mir sogar die „Insider“ erklärt. Die Fotos und Erinnerungen der Ehemaligen mach(t)en absolut Lust auf das nun vor mir liegende Jahr – und ich hoffe, dass unsere Gruppe ebenso harmonieren wird wie die vorhergehende.
Am 31.8.2016 war es dann (endlich) so weit: Nachdem ich am Abend des Vortages in „meine“ endgültige Wohnung umgezogen war (ja, es hat – nach einigem Umschichten – tatsächlich all mein Gepäck in den kleinen Peugeot gepasst^^) ging es in der Frühe auf die erste Überlandreise. Mit zwei vorhergehenden Freiwilligen als „alten Hasen“ startete ich mit dem Bus in die Landeshauptstadt. Mein erster Kontakt mit öffentlichen Verkehrsmitteln hier verlief recht positiv, auch wenn mich die Flut an Eindrücken und vor allem unbekannten Vokabeln ein wenig überrollte.
Nach einer ansonsten entspannten Busfahrt erreichten wir den Fernverkehrsknotenpunkt Florenc, von dem aus uns ein kurzer Fußmarsch entlang einiger schöner Bauwerke zum historischen Bahnhof Prags (Praha Hlavní Nádraží, wichtigste Fernstation der Stadt und größter Personenbahnhof Tschechiens) führte. Die schmuckvolle Eingangshalle (im Stile meiner geliebten Art Nouveau gehalten) gefiel mir sehr, was die geringe Wartezeit noch mehr verkürzte. Nachdem wir hier die erste Anreisenden eingesammelt und schließlich sicher in den Bus ins beschauliche Náchod gebracht hatten blieb eine Verschnaufpause am schattigen Ufer der Moldau, mit Sicht auf die überlaufene Karlsbrücke. Bei den hochsommerlichen Temperaturen dieses letzten Augusttages tat die Rast gut. Zeitlich genau passend hatten wir zuvor übrigens die Altstädter Astronomische Uhr am Prager Rathaus passiert, wodurch wir unverhofft Zeugen des dortigen Figurenspiels wurden. Mit uns hatte sich dort eine ganze Menschentraube versammelt, die gespannt auf das in wohl jedem Prag-Reiseführer angepriesene Ereignis warteten. Den Unterhaltungen einer uns entfernungsmäßig nahestehenden deutschen Gruppe konnte ich nach dem beschaulichen Schauspiel eine gewisse Enttäuschung entnehmen: Sie hatten sich ein pompöseres Erlebnis mit mehr „besonderen Effekten oder wenigstens mehr Action“ vorgestellt. Zugegeben, an der Spannung gemessen war das Gesehene nicht unbedingt atemberaubend. Dafür staunte ich über die frühe handwerkliche Kunst (‚Jahrgang‘ 1410), die nötig gewesen sein musste, um die detailreichen Figuren oder aber auch das Ensemble an sich bzw. die mechanische Konstruktion erschaffen zu können. Meiner Meinung nach zu Recht ist dieses Meisterwerk gotischer Wissenschaft und Technik Nationales Kulturdenkmal Tschechiens. Doch so sind die Wahrnehmungen von ein und derselben Begebenheit je nach Rezipienten ganz unterschiedlich.
Jenem schaulustigen Intermezzo folgte die Fahrt zum relativ außerhalb gelegenen Flughafen der Landeshauptstadt. Hier hieß es nun zunächst einmal vor allem Warten, bis erst der Flieger aus Spanien und dann noch der mit portugiesischem Abflugsort auf tschechischem Boden aufsetzten und schlussendlich alle Passagiere in der Eingangshalle eingetroffen waren.
Wie stark dieser reisereiche Tag doch in den Knochen steckte zeigte sich erst, als wir mit allerhand Gepäck beladen die Rückfahrt mit Metro, Bus und zu Fuß antraten. Auch als wir nach der wenig komfortablen und noch weniger geruhsamen Fahrt endlich wieder in Náchod austeigen konnten war ein Abspannen noch längst nicht in Sicht. In diesen Anfangstagen waren unsere Wohnungen hier mehrfach belegt, da neben uns noch alle Mitfreiwilligen aus dem benachbarten Nové Město nad Metují, Hronov und Rychnov nad Kněžnou Unterschlupf nahmen. Ein wenig chaotisch und provisorisch also alles :) Diese im wahrsten Sinne intensive Anfangszeit barg dafür auf der anderen Seite die Möglichkeit, schon schnell miteinander ins Gespräch zu kommen und verband wohl auch uns inzwischen räumlich getrennte Gruppenmitglieder frühzeitig gut untereinander.
Apropos: Wer von meinen treuen Lesern weiter auf meinen Fersen bleiben aber wegen der doch größeren Pausen zwischen meinen Veröffentlichungen nicht ständig umsonst den Blogpost aufrufen möchte, für den gibt es eine simple Lösung: Ich kann die E-Mail Adressen aller Interessierten online hinterlegen und Ihr werdet über jeden neu auftauchenden Text per Nachricht informiert. In diesem Sinne: Bis hoffentlich bald :)