Allerlei Eindrücke aus Corrèze
Bianca ist gerade im warmen Südfrankreich angekommen und harrt der Dinge, die im Freiwilligendienst auf sie zukommen werden. Bis dahin wird ihr bestimmt nicht langweilig, denn sie hat bereits allerlei nette Menschen kennen gelernt.
Salut mes amis!
Die Reise nach Frankreich habe ich mit gemischten Gefühlen angetreten, zeitweise wäre ich wirklich lieber wieder umgedreht. Dann wiederum konnte ich es kaum erwarten. Jedenfalls hat eines von beiden dazu geführt, dass ich von den 19 Stunden Fahrt seeehr wenig geschlafen habe. Na ja, als ich den Bus aber dann in Brive verließ (mit einer Stunde Verspätung übrigens!), wurde ich gleich von der Herbergsmutter Pascale herzlich empfangen und wir wuchteten erst mal Julias Riesenkoffer in ihren kleinen Honda. Mit zurückgeklappter Rückbank ging dann auch alles rein. Als nächstes machte ich Bekanntschaft mit Abdul.
Mit ihm kann ich sehr gut reden und ich habe doch tatsächlich schon mal ein paar Scherze auf Französisch gewagt. Ich weiß bis heute nicht, was es am ersten Tag zum Mittag gab, obwohl man nach sieben Jahren Französisch davon ausgehen sollte, dass man Worte nach Gehör nachschlagen kann. Denkste! War irgendwas fleischartiges und erinnerte vom Geschmack leicht an Königsberger Klopse. Jedenfalls war's sehr lecker und bei Pascales Kochkünsten ist mir gar nicht bange, da werd ich gut versorgt! Es steht doch im Oktober tatsächlich ein Coq au vin auf der Speisekarte! Da sag mal einer was gegen das Herbergsessen!
Die Stadt habe ich auch schon etwas erkundet: sie hat den baulichen Charme Monaccos in der Kleinausführung. Ich werde bei Gelegenheit mal ein paar Beweisbilder machen und veröffentlichen. Ich war echt überrascht. Wer schon mal in Frankreich war, weiß, dass viele Gegenden total heruntergekommen aussehen. Hier gar nicht! Am Hang gebaut und überall begrünt, neuwertige Häuser ringsum... Scho scheen. Die Innenstadt ist sehr verwinkelt und gemütlich, etwas größer als Hann. Wie Münden vielleicht. Zum Shoppen habe ich auch schon ein paar Sachen ausgespäht. Ach ja, für mich selber kochen kann ich auch, das hatte ich vergessen zu erwähnen. Es gibt hier noch eine kleine Küche, die ich benutzen kann. Mit Mikrowelle. Da kann ja nicht mehr viel schief gehen, oder? Apropos Mikro: Die haben hier eine Karaoke-Bar! Die hab ich natürlich sofort gefunden ^^. Bin mal gespannt, ob ich Julie dazu überreden kann. Heute kam eine Gruppe Belgier, die sehr dankbar waren, jemanden zu treffen, der Deutsch spricht; das konnten sie nämlich besser verstehen als Französisch. Für meinen ersten Tag lief es gar nicht so schlecht, alles andere wird sich ja erst zeigen. Im Oktober ist noch einmal Seminar angesagt, in Burgund. Ha! Beinahe Heimvorteil - da war ich ja schon mal. Aber schon schade, denn hier ist noch immer Sommer, ich bin hier feinsten 28 Grad Celsius entgegengestolpert! Bin eben doch in SÜDfrankreich gelandet.
Mit dem Essen ist das so geregelt: Wenn Gruppen hier sind, kocht Pascale, ansonsten ist Selbstversorgung angesagt. Hat diese Woche auch schon ganz gut geklappt, obwohl mein Essen bisher eher unfranzösisch war: Kartoffelbrei mit Würstchen, Spaghetti Bolognese, Putenschnitzel, Reispfanne... Ich habe übrigens mit Entsetzen festgestellt, dass die hier keine Salamipizza haben! Echt nicht! Ich kann ja damit fertig werden, dass ich für Wasser mit einem bisschen Kohlensäure quer durch die Stadt laufen muss, aber Salamipizza! *heul*. Das könnt ihr mir doch nicht antun! Genauso meine geliebten Paprikachips. Ich muss hier, glaube ich, echte kulinarische Missionsarbeit leisten. Das erste Päckchen mit "Ahler Wurscht" dürfte in ein, zwei Wochen da sein, damit kann ich ja mal anfangen.
Seit Montag versuche ich die Jugendsprache zu entschlüsseln, denn seitdem treffe ich mich mit Julie und ihren Freunden. Manchmal geht mir das alles viel zu schnell, was die erzählen! Ich hoffe, das wird im Laufe der Zeit besser. Wir haben trotzdem eine Menge Spaß zusammen und unternehmen im Moment viel, da ich ja noch frei habe. Montag haben sie mir die Stadt gezeigt, zumindest die wichtigen Sachen. Ich glaube, die Sache mit der Größeneinschätzung muss ich nochmal revidieren. Alles schafften wir wirklich nicht zu sehen! Vom Kino weiß ich nur grob, in welcher Richtung es ist und die Eishalle und Bowlingbahn habe ich auch noch nicht gesehen. Aber da wir da sowieso hingehen werden, ist das nicht weiter tragisch.
Dienstag habe ich Grosseinkauf gemacht für die nächsten Wochen, was schon etwas länger gedauert hat. Ich musste mich ja auch erst einmal in dem Artikelgewusel zurechtfinden. Mittwoch war Stadtrundgang Teil II angesagt, das Nachtleben: die Bars und die Disco. Wenn wir dort live gewesen sind folgen Details. Ein paar Ausflüge mit den dreien (Julie, Lor und Amelia) sind auch schon angedacht: Egleton und Bordeaux. Die Region will mir Pascale zeigen, wenn sie wieder da ist und Vianney hat mich nach Paris eingeladen. Das ist der Koordinator, der mir die Stelle hier verschafft hat. Und überall kann ich kostengünstig unterkommen! Schon praktisch, dieses Vitamin B!
Freizeitmäßig wir mir hier ja durch das Programm auch etwas finanziert, sodass ich mir am Dienstagabend erst mal die "Ecole nationale de la musique, de danse et d'art dramatique" angesehen habe, um genau zu sein den Chor. Es handelte sich hierbei um einen Frauenchor, und ich hatte leichte Verständigungsschwierigkeiten auf diesem Gebiet. "Was für eine Stimme"? "Alt", habe ich geantwortet, nicht wissend das „alto“ im Französischen (oder beim Frauenchor allgemein, das kann ich hier nicht vollständig klären) das Tiefste ist wo gibt. Francin hat mich nach dem ersten Lied spontan zu „mezzo“ aufgestuft... *dumdidum* Aber der Rest lief dann ganz gut würde ich sagen, aber auch nur, weil die Chorleiterin eine... mmh... ich sage mal „lebendige“ Gestik hat. Das hat mir ungemein geholfen, denn von dem Gesprochenen habe ich um ehrlich zu sein nicht so viel mitgekriegt. Zu spezifisch für mein Schulvokabular. Ich werd mir auch mal den Einzelunterricht antun, kann ja dann entscheiden, wofür ich mich einschreibe. Vielleicht mache ich ja doch eher mit Fechten weiter... On vera - Wir werden sehen.
Hier in der Jugendherberge ist auch einiges los gewesen: Zurzeit ist eine Berufsschulgruppe aus Deutschland da, sind Montag angekommen. Aber nicht allein, zu ihnen gehören auch polnische Berufsschüler. Ist so eine Art Dreiecksaustausch zwischen Krakau, Tulle (bei uns um die Ecke) und Nürnberg. Metzger und Bäcker können so vor Ort landestypische Rezepte und Verfahren erlernen. Ist mal eine Klasseidee! Das Problem dabei ist, dass die Deutschen schon erwachsen sind und die Polen erst um die 16. Das endete am ersten Abend auch ganz schön arg: die Deutschen hatten sich mit ein paar Bier hingesetzt, um den Abend ausklingen zu lassen, als sich die polnischen Jugendlichen dazugesellten, verbotenerweise mit Wodka, Kognac, Wein und was weiß ich in den Taschen. Das haben sie auch alles ziemlich schnell geleert, was dazu führte, dass einer sich betrunkenerweise in der Dusche die Nase gebrochen hat und ein anderer sich im Schlaf übergeben hat. So etwas habe ich vorher auch noch nicht erlebt! Ich hatte Angst der erstickt mir, wenn der sich auf den Rücken gerollt hätte. Zum Glück standen ein paar Franzosen im Flur, die ihn erstmal in die stabile Seitenlage gebracht haben. Inzwischen geht's beiden wieder einigermaßen gut.
Mit den Deutschen versteh ich mich sehr gut, sind ein paar nette Leute dabei. Hab mich gestern mal dazu gesetzt ^^. Sie bringen mir immer auch was mit von ihren Erzeugnissen mit... mmmh, lecker! Sie waren so dankbar, hier jemanden zu treffen, der Deutsch spricht und übersetzen kann! Weder die Lehrerin, noch die Schüler können mehr als gebrochenes Englisch. Aber ich bin ja da und bleib auch für eine ganze Zeit! Es ist übrigens immer noch so warm und sonnig, dass ich im T-Shirt hier herumlaufe. Die Jungs haben sich gestern sogar einen Sonnenbrand geholt! Herrliches Urlaubswetter also!
Ich habe in den letzten Tagen an ihren Ausflügen teilgenommen, einfach weil wir uns so gut verstanden haben. Ich war quasi für die vergangene Woche ein adoptierter Berufsschüler ^^. Es war wirklich super: Samstag waren wir in einem Adventure-Park klettern. Wer mich kennt (unsportlich ohne Ende), weiß, wie anstrengend das für mich war und kann sich vorstellen, was für ein Muskelkater am nächsten Tag folgte! Aber was soll's, es war wirklich witzig. Der Park ist so gestaltet, dass man in mehreren Metern Höhe auf die verschiedensten Arten zwischen Bäumen herumkraxeln kann (natürlich gesichert): Drahtseil, Hängebrücke, Röhre... Irgendwann auf dem roten Parcours (der zweitschwerste!) verließen mich die Kräfte und ich hing im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft. Ich also erst mal "Au secours" (Hilfe) gerufen und mich von einem netten Franzosen "abschleppen" lassen ;-) Anschließend waren wir im "La 6vette" ein hübsches kleines Bistro hier um die Ecke. Falls jemand mal hierher kommt: nur zu empfehlen!
Mittwoch und Donnerstag waren für mich besonders interessant, denn da bin ich mit in die Berufsschule nach Tulle gegangen; für ihren Abschied haben die Bäcker und Metzger landestypische Spezialitäten vorbereitet: Nürnberger Rostbratwurst, so frisch, wie ich sie noch nie gegessen habe, Lebkuchen und Apfelstrudel! Mmmh... und ich durfte bei der Herstellung Mäuschen spielen, hab natürlich einiges auf Video festgehalten. War wirklich lecker, und vermutlich das letzte Mal für lange Zeit, dass ich deutsches Essen vorgesetzt bekommen habe! Jetzt liegen ein paar Adressen mehr auf meinem Schreibtisch, die auf Post warten! Ich glaube ich wurde noch nie so oft eingeladen wie in der vergangenen Woche. Was nicht das schlechteste war, denn langsam geht mir das Geld aus. Aber bald beginnt ja auch der neue Monat!
Des Weiteren habe ich eine zweite Karriere hier in Frankreich begonnen: Übersetzerin. Der Organisator dieses trinationalen Austausch, Jerome, hat mich kurzerhand mit einer Flasche Wein "gekauft" ^^. Auf Jerome komm ich auch noch mal zurück, das ist so eine Geschichte für sich! Außerdem hat Herr Nol (mein ehem. Tutor, Französischlehrer und Direktor) mir prophezeit, dass ich, wenn ich zurück komme, nicht mehr sehr gut Deutsch sprechen und schreiben werde, was meine Erfolgsaussichten als Schriftsteller natürlich drastisch mindert.
Unter der Woche, ich glaube Dienstag, war ich das erste Mal in der Laverie (=Wäscherei). Im Großen und Ganzen war’s ganz okay, aber so teuer! Mit den verschiedenen Farben und Temperaturen, die ich zu waschen hatte und dem Trockner hab ich 20 Euro dagelassen! Unbezahlbar, wenn ich das jede Woche machen muss! Ich hab schließlich nur 190 Euro Taschengeld, und damit möchte ich lieber andere Sachen machen. Werde mal mit Pascale reden, was wir da tun können. On vera.
Man verzeihe mir, wenn ich hier mit der Chronologie breche, aber ich möchte mir "das Beste" für den Schluss aufheben :-). Allgemein kann man sagen, dass ich in den zwei Wochen, in denen ich hier bin, schon enorme Fortschritte in der Umgangsprache gemacht habe, einfach weil ich sie jeden Tag höre und brauche. Das führt inzwischen soweit, dass ich von einigen Leute tatsächlich für eine Französin gehalten werde ^^. Da werde ich nach dem Weg gefragt, oder ich frage was und keiner hakt nach, weil ich was vollkommen falsch ausgedrückt hab. Ist schon cool. Das gegenteilige Erlebnis hatte ich jedenfalls beim Arzt: ich habe zum Teil nichts verstanden, was er wissen wollte. Als ob ich gerade angefangen hätte zu lernen. Nach den Erfolgserlebnissen der letzten Tage hat mich das wieder ein bisschen auf den Boden der Tatsachen geholt. "Les francais soutenu" (die gehobene Sprache) ist noch immer ein Buch mit sieben Siegeln für mich! Gut, dass er wenigstens Englisch sprach.
So, und nun noch mal kurz zu Jerome... Ich fange am besten ganz vorne an, also zunächst mit einer allseits bekannten Sitte, den "Bises" (Küsschen auf die Wange). Wie ihr vielleicht wisst, gibt's hier zur Begrüßung immer erst Mal Küsschen rechts, Küsschen links, genau wie zur Verabschiedung. Jedenfalls ist die deutsche Gruppe Freitag gefahren, ich noch gewunken, weil ich einige von ihnen in der Zeit wirklich lieb gewonnen habe. Jerome neben mir lädt mich daraufhin erst mal auf ein Frühstück ein, nicht unüblich. Ich also mitgefahren, haben dann ein Bistro gesucht, das um 7.30 schon auf hatte, was gar nicht so leicht war! In der Innenstadt wurden wir dann aber fündig. Es gab (ganz klassisch) Croissant und Tee beziehungsweise Kaffee. Es schloss sich ein längerer Spaziergang an, einfach weil es ewig viel Zeit zu überbrücken galt, bis Jerome zur Arbeit musste. War wirklich nett, wir haben uns gut unterhalten! Hat ein bisschen von sich erzählt, was er bisher so gemacht hat. Er ist einer der wenigen, die nicht so einen bösen Akzent haben, dass ich nur die Hälfte verstehe. Jedenfalls endete der Morgen damit, dass er mich wieder an der Jugendherberge absetzte und sich verabschiedete. Und da musste ich lernen, dass es von den "Bises" zum "Bisous" (Kuss auf den Mund) nur ein Katzensprung ist. Es gab Küsschen rechts, Küsschen links wie immer, dem sich aber kurzerhand ein "C'est pas mieux comme ça?" (Ist es so nicht besser?) anschloss. Ehe ich mental verarbeiten und begreifen konnte, was er wollte, hatte ich auch schon seine Zunge im Mund! Les francais! Keine Ahnung, was ich davon halten soll! Hat dann aber begriffen, dass ich das nicht besser fand... Ouf! Trotzdem muss ich demnächst schneller reagieren, glaube ich! Bin einfach zu unerfahren.
Auf jeden Fall dürfte eines klar sein: Leute kennen zu lernen ist hier mein geringstes Problem!
Liebe Grüsse, Bianca J.