All good things come to an end
"Ich habe dieses Mal nicht Ungarn kennengelernt, sondern vor allem mich und das, was mich ausmacht." Hausi38 berichtet über das Ende einer interkulturellen Beziehung und den Beginn von etwas ganz Neuem.
Oh Mann,
Da hab ich wieder ewig nicht geschrieben. Dabei hätte ich mit meinen Geschichten hier Bücher füllen können. Nicht unbedingt große Literaturromane, aber für ein Drehbuch bei Gute Zeiten, schlechte Zeiten hätte es allemal gereicht. Denn da bin ich durch, gute Zeiten und schlechte Zeiten und die in den vollen Extremen.
Warum ich schon in der Vergangenheit schreibe? Morgen werde ich Szeged den Rücken kehren und früher als geplant nach Deutschland zurückreisen. Aber vielleicht von Anfang an. Das letzte Mal, dass ich mein Leben hier beschrieben habe, war im Oktober, ich war frisch verliebt. Naja, mittlerweile bin ich alt entliebt.
Soll heißen, dass ich mich von Nimo, meinem israelischen Freund trennen musste und der Dinosaurier Single nun wieder Single ist. Ich habe nie geglaubt, dass man vor Kulturunterschieden aufgibt, aber ich konnte nicht mehr. Wirklich, die Unterschiede waren zu groß, als dass wir es geschafft hätten. Außerdem glaube ich, habe ich mir nicht die leichteste Person ausgesucht ;)
Wo soll ich anfangen um das, was ich erlebt habe, zu beschreiben? Vielleicht bei einem aktuellen Thema, dem Krieg im Gaza-Streifen. Ich kann nur sagen, dass die Israelis gerade die Welt nicht verstehen, warum sie jetzt verurteilt wurden, wo sie doch trotz einer bestehenden Waffenruhe immer wieder bombardiert wurden. Viele der Israelis, die ich hier kennengelernt habe, leben in Reichweite der Raketen und haben die Angst geschildert. Sollten sie das weiter hinnehmen? Was sind Lösungsmöglichkeiten? Da verstummt jemand wie ich, der gegen jede Art von Krieg ist, sehr schnell.
Was hätte man tun können? Ich habe viele Stunden Diskussion hinter mir, viele Stunden, in denen ich versucht habe, meinen, vielleicht auch den Standpunkt von vielen Europäern zu erklären und musste erleben, wie sich deshalb Leute von mir abwandten, weil sie sich und ihr Land persönlich angegriffen fühlten. Es ist schwer, die Gefühle, die dort hochkochten zu beschreiben, aber ich habe einen kleinen Einblick in die israelische Denkweise erhalten, kann die Leute verstehen und bin froh, dass ich nicht so groß geworden bin.
Meine Beziehung ging aber nicht deshalb auseinander. Sie ging kaputt, weil ich mich – und wer das jetzt liest, denkt sicher an Gute Zeiten, schlechte Zeiten – mit einem MÄNNLICHEN Freund zum Kaffeetrinken getroffen habe. Ich kann das immer noch nicht glauben. Dieses Treffen wurde dann als Date hingestellt, als Zeichen, dass ich mit diesem Typ auch – Entschuldigung – ins Bett steigen würde… das sind andere Welten und ich bin plötzlich aufgewacht und wusste nicht mehr, wer ich bin und was wichtig ist. War es wirklich so? Laufe ich tatsächlich durch die Gegend und gebe diese Zeichen von mir? Was bedeutet Freundschaft? Was ist eine Beziehung für mich? Würde ich Freunde verlassen um meine Beziehung zu retten? Genau das wurde von mir aber verlangt, was eine ungleiche Geschichte ist. Das Angebot eines Kompromisses wurde als Angriff gewertet, dass mir die Beziehung nichts wert wäre.
Das ist etwas, was sich durch die letzten vier Monate gezogen hat. Dinge wurden mir oft als böswillige Verletzung unterstellt. Dieses Bild von sich reflektiert zu bekommen war schwer, sich dagegen zu wehren, weil dem ja nicht so ist, ist noch viel schwerer.
Na gut, irgendwann will man weitergehen, die Dinge lassen. Wenn man merkt, man reitet ein totes Pferd, dann steigt man ja schließlich auch ab. Aber auch das entpuppte sich als Kraftakt, denn eine "frisch-getrennte" Frau hat nicht das Recht einfach weiterzugehen. Da gibt es Spielregeln, die ich nicht kannte und somit wieder Menschen weh tat… es ist ein Kreislauf und ich bewundere Leute, die eine interkulturelle Beziehung führen, denn ich bin kläglich daran gescheitert und fast daran zu Grunde gegangen. Das hört sich dramatisch an, war es auch. Es gab Wochen, die habe ich komplett im Bett verbracht, ich konnte nicht aufstehen, meine Arbeit habe ich wirklich schleifen lassen… dieses Gefühl hat mich noch mehr runter gezogen, bis ich eines morgens wach geworden bin, die Sonne schien und es wurde besser. Es wird irgendwann immer besser ;)
Meine Arbeit ist auch fast beendet. Ich habe ein tolles Feedback bekommen und fast alle Dinge geschafft, die ich mir vorgenommen habe. Aber ich habe auch festgestellt, dass mir der Unterricht an einer Universität nicht so viel Spaß macht, wie andere Dinge. Vor allem das Bewerten von Arbeiten hat mir Kopfzerbrechen bereitet. Wer bin ich denn, dass ich zu entscheiden habe, wer gut ist, wer nicht? Wer eine gute Abschlussnote bekommt und wer nicht? Wer am Ende den gut bezahlten Job hat und wer nicht? Natürlich könnte man sagen, dass das letztendlich die Studenten mit ihrer Leistung entscheiden, aber so einfach ist Bewerten leider nicht… da werden mir viele, die es auch machen mussten zustimmen ;)
Trotzdem habe ich viel gelernt und unglaublich liebe Menschen kennengelernt und die, die ich bereits kannte – meine Homis aus Deutschland – umso mehr schätzen gelernt, denn in diesem ganzen interkulturellen Hickhack hab ich oft den Boden unter den Füssen verloren und dann zu wissen, wo man hingehört, dass es Menschen gibt, die genauso denken, das tut gut.
Jetzt ist die Zeit hier also vorbei und ich bin erleichtert und froh nach Hause zu fahren, weiter zu gehen und diesen Teil meines Lebens abzuschließen. Manche würden es vielleicht Davonrennen nennen, ich nenne es Weitergehen. Ich habe dieses Mal nicht Ungarn kennengelernt, sondern vor allem mich und das, was mich ausmacht, mehr denn je. Dieses Gefühl gibt mir gerade Auftrieb und ich bin unglaublich glücklich.
Und die Dinge, die da kommen geben einen weiteren Anlass dazu. Denn vom israelisch-ungarischen Kulturmix geht es über die Heimat nach Indonesien für ganze acht Monate. Mal sehen, was mich dort erwartet. Im Moment sieht es nach einem chaotischen Studium aus, was vielleicht gar nicht stattfindet, aber auf jeden Fall wird es viel, viel ruhiger zugehen als im hektischen Europa und vielleicht kommt mein Herz auch etwas zur Ruhe ;).
Ich hoffe, ich kann auch weiter auf dem Laufenden halten, aber seid gewiss, Unkraut vergeht nicht.
Julia
Kommentare