37 Tage Advent
Der längste Advent meines Lebens, ein zweites Weihnachtsfest und ein kleines Déjà-vu.
Ehe ich mich in meinen weihnachtlichen Heimaturlaub verabschiedete, um dort mein erstes Weihnachtsfest zu feiern, verlebte ich in meinem Projekt interessante Wochen. Alles begann mit einem Wohltätigkeitsbasar, der uns eine Bühne für einen kurzen Musical-Auftritt bot. So wurden die Kostüme und Requisiten, die wir etwa einen Monat zuvor verräumt hatten, wieder aus ihren Kisten geholt und ein letztes Mal für „Bremenskie Muzikanti“ verwendet. Nachdem alle Probleme mit der Technik und den ungewohnten Örtlichkeiten des Chişinău-Moldexpo-Geländes durch die Generalprobe bereinigt worden waren, fieberten alle dem Auftritt entgegen. Früh morgens brachen wir am 7. Dezember auf, verstauten uns und alles in einem gemieteten Minibus und standen pünktlich um 9:30 Uhr auf der Bühne. Auch wenn manchen die Anspannung anzumerken und die Situation vor fremdem Publikum zu spielen ungewohnt war, konnten danach alle glücklich über und vor allem stolz auf ihre Leistung sein.
Doch noch konnte die Aufregung nicht vorüber sein: Ein Fernsehteam eines moldawischen Senders interviewte ein paar unserer Schüler und strahlte den Beitrag tags darauf aus (Link zum Beitrag: http://www.publika.md/sunt-foarte-talentati-un-grup-de-persoane-cu-nevoi-speciale-a-prezentat-un-spectacol-de-craciun_2180741.html) Später meldete sich ein Mann bei der Leiterin des Tagesheimes für geistig Behinderte, in dem ich arbeite, und schenkte allen Beteiligten Freikarten für ein Konzert am darauffolgenden Mittwoch. Ein Highlight, vor allem wenn man bedenkt, dass es für viele der erste Besuch einer solchen Veranstaltung war. Und so wurde auch ich Zeuge eines Musikabends in der Philharmonie Chişinău, der wohl am ehesten mit dem Weihnachtsfest der Volksmusik in Deutschland verglichen werden kann. Eine moldawische Helene Fischer (Dianna Rotaru) führte durch den Abend und kündigte die mehr oder weniger volkstümlichen Darbietungen an.
Die Freude über dieses Erlebnis war den Besuchern unserer Einrichtung die nächsten Tage anzumerken, doch die Konzentration galt nun schon den Vorbereitungen des Weihnachts- oder eher Neujahrsfestes. Da ich leider zum Zeitpunkt dieser Feier bereits in Deutschland weilen sollte, gab es an meinem letzten Arbeitstag für mich und mein Projekt kleine Weihnachtsüberraschungen. Nach dem ausgiebigen Austausch von moldawischen und deutschen Süßigkeiten konnte ich meine Reise nach Deutschland angehen.
Wie schnell man sich zuhause wieder einlebt, musste ich am 4. Januar, dem Tag meiner Abreise aus Würzburg, feststellen. Zwar wusste ich jetzt was mich erwartet und hatte auch gute Gründe mich auf die Rückkehr nach Moldawien zu freuen, aber trotzdem fühlte ich mich wie in einer Zeitreise an den Anfang meines EFDs zurückgeworfen. Der Abschied zuhause, die Ankunft am Flughafen Chişinău, das Warten an der Passkontrolle – alles war genau wie im August, nur eben 140 Tage später.
Doch genau als ich schon etwas melancholisch den Schlüssel zu meiner Wohnung umdrehte, wusste ich, dass nur oberflächlich alles gleich geblieben war. Denn schon durch die geschlossene Tür konnte ich ein richtiges Stimmengewirr hören und konnte ahnen, was mich erwarten würde. Zwar hatte Marco, mein italienischer Mitbewohner, angekündigt, dass seine Familie zu Besuch ist und wir gemeinsam essen werden, doch was ich dann sah, als ich unsere schwere, sowjetische Stahltür aufstieß, schockierte mich – natürlich nur positiv. Um die fünfzehn mir gut bekannte Gesichter saßen zusammen, aßen Pizza und Pasta und unterhielten sich im typischen internationalen Sprachengewirr der Freiwilligen hier. In diesem Moment war mir mehr als jemals zuvor klar, was sich seit Beginn meines EFDs geändert hatte.
Und so verbrachte ich die ersten beiden Tage zurück in Chişinău im neugegründeten „Little Italy“ Moldawiens zusammen mit Marcos Familie, vielen Leckereien aus der Toskana und der Vorfreude auf mein Projekt, das am Freitag wieder seine Tore öffnen wird. Denn der längste Advent meines Lebens wird am 7. Januar mit dem orthodoxen Weihnachtsfest endgültig beendet sein und die zweite Halbzeit meines zehnmonatigen Freiwilligendienstes beginnen.