1. Station: Der Superkindergarten, 2. Station: Wo gibt es Kaffee&Kuchen, da musst Du mich suchen!
Bericht von meinem ersten Arbeitstag im Kindergarten und in der Seniorengruppe.
1. Station: Der Superkindergarten
Nach drei erfolgreichen Seminartagen hatte ich meinen ersten Arbeitstag im Kindergarten. Maryna, meine Mentorin, begleitete mich die circa sieben Minuten Fußweg und übergab mich einer Erzieherin, die mich in meine Gruppe führen sollte. Sie stellte mich Alina vor, der Zuständigen für die "Känguru-Gruppe". In dieser Gruppe sind die Kinder bis zu fünf Jahre alt und absolvieren schon eine Art Vorschule, haben bereits ein Arbeitsheft, lernen erste Worte Englisch, dank mir auch Deutsch und genießen sonst auch echt viel Förderung.
Nachdem sich jeder in unserem Sitzkreis mir auf Englisch vorgestellt hatte, gab es noch Sprachübungen für die Kinder, die zum Beispiel daraus bestanden, Silben zu klatschen und Worte mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben zu finden. Anschließend gab es noch rhythmische Übungen, bei der Alina mehrere Spielsteine auf den Teppich legte und die Kinder diese wie Noten lesen und im richtigen Rhythmus klatschen mussten. Also zum Beispiel: xx xxx xx (zwei Mal klatschen, Pause, drei Mal klatschen, Pause, zwei Mal klatschen). Später sollten sie ihre Arbeitshefte herausholen und eine Katzenfigur ausmalen. Die Felder waren jeweils mit geometrischen Körpern gekennzeichnet, die jeweils eine Farbe vertraten. Also Ausmalen mit Vorgaben.
Alina konnte etwas Englisch, ich versuchte aber alles auf Polnisch zu sagen, soweit es möglich war. Im Sprachkurs in Deutschland hatte mir meine Polnisch-Lehrerin erklärt, dass man in Polen Kollegen erst siezt und erst sehr spät zum "Du" übergeht. Im Polnischen gibt es auch nicht nur eine Stufe vom Siezen. Eine Chefin nennt man beim Nachnamen und setzt ein "Pani" oder bei einem Mann "Pan" davor. Wenn ich also eine Chefin wäre (hahaha, das hätte ich wohl gern :D), dann wäre ich "Pani Wingerath" für alle meine Angestellten. Unter Kollegen siezt man sich, indem man nach dem "Pani" den Vornamen sagt, "Pani Leonie" also, auch wenn man sich schon länger kennt und gut versteht. Aus diesem Grund siezte ich Alina, aber sie hatte etwas dagegen und musste mir drei Mal sagen, dass ich sie "Ala" nennen soll, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass sie wirklich "Ala" meinte. Sie hat mir also das "Du" angeboten. Und warum "Ala"? Nun, das ist auch so eine polnische Eigenart. Es reicht nicht, dass die Namen schwer auszusprechen und zu merken sind. Nein, man hat auch noch feste Spitznamen zu einigen Namen, die glaube ich auch nicht jeder sagen darf. Aus "Alina" wird also "Ala", aus "Maria" wird "Marysza" aus "Adam" wird "Adasz". Das ist aber noch nicht alles...nein, man kann Namen auch konjugieren und verniedlichen. Wenn ich ein kleines süßes Mädchen wäre, dann würde man mich Leonka nennen. Also liebe Freunde, viel Spaß beim Namen lernen in Polen! :D
Die erste Aufgabe, die ich als Freiwillige im Kindergarten übernahm war...naaaaa, ratet mal. Kaffee holen? Fast! Ich durfte Wasser holen. Yeaaah. Naja, jeder fängt mal klein an oder? Als die Kinder mit dem Malen fertig waren, begannen sie sich Sportsachen anzuziehen. Der nächste Programmpunkt in diesem "Superkindergarten" war nämlich Gymnastik. Ohja und dafür war extra eine Gymnastiklehrerin da. Die Kinder hüpften über Sportmatten, bewegten sich wie Spinnen über den Boden, warfen Bälle in die Luft und krabbelten vergnügt durch den selbst gebauten Sportmatten-Tunnel, während die Lehrerin sie anfeuerte und zur Fairness aufrief. In meiner Kindergruppe ist nämlich auch ein kleinwüchsiger Junge, Emil, der aufgrund seines Körperbaus manche Aufgaben nicht so schnell wie die anderen ausführen kann. Da wurde manch einer ungeduldig und musste auf der Bank sitzen...
Dem Sport folgte eine Lesestunde aus dem Buch über polnische Mythen. Ala übersetzte mir netterweise immer wieder einzelne Wörter auf Englisch, aber ich verstand trotzdem nichts, außer das die Hauptperson eine goldene Ente ist. Die Sprachbarriere erschwerte mir das Arbeiten und es war außerdem sehr anstrengend für mich, ständig konzentriert hinzuhören und doch nichts zu verstehen, wenn die Kinder mit mir sprachen. Komischerweise verstand ich oft worum es ging, wenn die Kinder miteinander oder mit der Erzieherin sprachen. Doch sobald mich jemand ansprach, ging mir alles zu schnell und ich konnte nur immer wieder sagen: "Ja mowie troche po polsku." (Ich spreche schlecht Polnisch.) Deprimierend. Aber ich gab mein Bestes, half der Köchin beim Eindecken, abräumen, Tisch wischen. Ein Kind lernte mit mir Englisch-Vokabeln und ein Kind konnte ich erfolgreich trösten. Dafür habe ich aber auch eins zum heulen gebracht, weil ich es aufgefordert habe zu essen, es aber nicht wollte. Man, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Aber Ala winkte nur abschwächend mit der Hand, so nach dem Motto: " Lass sie mal, die ist immer so!"
Nach einiger Zeit auf dem Außengelände, puzzelte ich mit Emil die polnische Landkarte zusammen und bekam von einem Mädchen ein Blatt Papier mit ausgeschnittenen Formen geschenkt, darunter ein paar Herzchen. Süß! Dziekuje bardzo! Später aßen wir Mittag und spielten anschließend Spiele im Kreis und tanzten zu Kinderliedern mit bestimmten Bewegungen. Roxana hatte zu dieser Zeit die Aufsicht. Wir stellten uns vor, danach beschäftigte ich mich nur mit den Kindern. Am Ende meiner Arbeitszeit war ich echt fertig. Ich wollte einfach nur noch nach Hause.
Ich war sehr froh und erleichtert als unsere Mentorin uns am nächsten Tag berichtete, dass die Kinder uns sehr mögen. Obwohl ich sie nicht verstehe. Puh! Sowieso habe ich das Gefühl, dass jeder Pole sich total freut, wenn ein Ausländer auch nur einen Satz Polnisch kann. Als wir uns den Eltern der Kindergartenkinder vorstellen sollten und vier Standard-Sätze über unsere Namen, unser Alter, unsere Herkunft und unsere Hobbys herausbrachten, klatschten die Eltern begeistert und riefen sogar: "Bravo!"
Aller Anfang ist schwer, aber das wird schon. Jedenfalls hatte ich meinen ersten Arbeitstag überstanden und die Kinder mögen mich. Das ist die Hauptsache! :D
2. Station: Wo gibt es Kaffee und Kuchen, da musst Du mich suchen!
Bevor ich nach Polen ging, hätte ich nie gedacht, dass ich lieber mit Senioren arbeiten würde als mit Kindern. Ich hatte irgendwie Angst, bei den älteren Leuten in Fettnäpfchen zu treten oder sie zu entwürdigen, wenn ich ihnen zu viel helfe oder, dass sie mich streng nach Benimmregeln bewerten oder sogar verbittert der Jugend gegenüber sind. Ja, das sind echt schlimme Vorurteile, aber ich habe auch schon einiges dergleichen erlebt. Als ich beim Friseur einmal im Ohnmacht gefallen bin (soetwas kann auch nur mir passieren), saß eine ältere Dame auf dem Wartesofa und meckerte, dass die Jugend heutzutage ja nicht einmal zehn Minuten stehen könne. An einem sonnigen Tag in der Stadt saß ich auf einer Bank und ein älterer Herr neben mir warf mir eine Tüte ins Gesicht und meinte, ich solle meinen Müll wegwerfen, obwohl die Tüte nicht einmal mir gehörte. Als ich widersprach, zog er über die Jugend heutzutage her, die nur Widerworte gibt und die Umwelt verschmutzt und seine Sitznachbarin stimmte mit ein. Da griff ich nach der Tüte und stopfte sie mit wütendem Blick demonstrativ in den verdammten Mülleimer. Bittesehr.
Natürlich sind nicht alle älteren Herrschaften so. Das bewies mir unter anderem die Tagesgruppe, in der ich Freitag arbeiten durfte. Von dem Moment an, in dem ich das Tageszentrum betrat, fühlte ich mich wie bei meiner eigenen Oma, irgendwie wie zu Hause. Die Mitglieder der Gruppe saßen an einem Tisch, sie brachten sich gegenseitig Tee und Kaffee und unterhielten sich. Die Betreuer begrüßten mich freundlich und wiesen mich an, in den ersten Stock zu fahren und bei der Gymnastik zu helfen, bei der nur einige Mitglieder der Gruppe teilnahmen. Ja, auch diese Gruppe hat eine eigene Physiotherapeutin, ihr Name ist Magda (juchuu, ein normaler Spitzname!).
Magda stellte mich allen vor. Zwei Leute der Gruppe setzten sich auf einen Stuhl und ich wollte sie animieren, aufzustehen und weiter mitzutrainieren. Also stützte ich sie und half ihnen hoch. Doch Magda meinte, ich solle sie dort sitzen lassen, sie spielen nur krank! Der zweite ältere Herr stand grinsend auf und das mit einer Leichtigkeit, dass man hätte denken können, er sei noch in seinen besten Jahren. Okay Adam, aber nächstes Mal lasse ich mich nicht mehr veräppeln! :D
Einige in dieser Gruppe haben Alzheimer und können sich noch nicht einmal an den vorherigen Tag erinnern. Aus diesem Grund musste ich mich mehr als einmal vorstellen. Doch das machte mir nichts aus, schließlich konnte ich so immer wieder an meiner Aussprache arbeiten und bekam nicht allzu viele Fragen gestellt, die ich nicht hätte auf Polnisch beantworten können. Zurück im Gemeinschaftssaal nahm ich neben "Lilla" Platz , einer alten Dame mit deutschen Wurzeln. Sie erkundigte sich nach meinem Befinden und übersetzte mir immer wieder die Unterhaltung am Tisch. Die Betreuerin Dorotka erklärte nämlich der Gruppe wie gesund das Lachen für sie ist.
Während des Vortrages unterbrach "Bolek" immer wieder die Betreurin, stand von seinem Stuhl auf und fing an zu singen. Einfach so. Und anstatt das alle genervt waren, klatschten sie ihm Beifall und riefen begeistert: "Bravo Bolek!" Er ist auch echt ein guter Sänger, dass muss man dem kleinen Angeber ja lassen ;) Hania ist eine weitere spritzige Persönlichkeit. Sie hat früher im Theater gearbeitet und machte mehrmals für alle vor, wie sie den Schauspielschülern das Lachen auf der Bühne beigebracht hatte: "Ha! Ha! Haa!"
Beim Mittagessen unterhielt ich mir sehr gut mit Lilla und fragte sie, aus welchem Grund sie so gut Deutsch kann. Sie erklärte mir, dass sie in der heutigen Ukraine aufgewachsen ist, was früher einmal Polen war. Dort sprach sie mit ihren Eltern Deutsch und perfektionierte die Sprache später im Germanistikstudium. Sie war sehr froh, mit jemandem Deutsch sprechen zu können und ich war glücklich, einen weiteren Gesprächspartner hier in Polen zu haben, der mich versteht. Wie Omas so sind, erzählte sie mir von ihrer Tochter und wies mich nach dem Essen an, mir doch eine Banane für später mitzunehmen. Okay Omi! ;)
Am Nachmittag spielten einige noch "Wer wird Millionär" über eine Internetseite und ich half Zofia (jaha, hier schreibt man den Namen mit "Z"!) und Theresa bei "Malen nach Zahlen." Es fiel ihnen schwer, sich zu konzentrieren und sich zu merken, bei welcher Zahl sie gerade sind. Zofia sollte ich dann noch helfen das Bild auszumalen und sich für einzelne Farben zu entscheiden. Wie ein kleines Kind fragte sie mich immer wieder ungeduldig, ob sie das jetzt auch noch ausmalen soll und ob sie jetzt fertig sei. Am Ende half ich ihr, weil sie immer ungeduldiger wurde. Das war auch für mich anstrengend, aber da sie so liebenswürdig war, half ich ihr gerne.
Sowieso mag ich hier eigentlich jeden bis jetzt! :D Es interessiert mich, was sie in ihrem Leben einmal waren und was für Ansichten sie haben, was sie gerne tun und was sie besonders gut können. Ich freue mich schon sehr darauf, am Dienstag wieder dort arbeiten zu dürfen, aber besonders freue ich mich auf einen netten Kaffeeklatsch und Kuchen mit Lilla. Also, bei Kaffee und Kuchen, da könnt ihr mich finden! :D
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