Ohne Pauken und Trompeten
Auch die zweiten Europawahlen in Polen lösten im Land keine Euphorie aus. Nur einige Splitterparteien positionierten sich offen gegen die EU. Die Regierungspartei PO wird die Wahlen mit deutlichem Vorsprung gewinnen und die Mehrheit der 54 polnischen Abgeordneten in Straßburg stellen.
Der polnische Wahlkampf ist so zu Ende gegangen, wie er geführt wurde. Langweilig, inhaltslos, ruhig. Verstärkt wurde diese Tendenz noch durch die verordnete „Wahlstille“. Da die Abstimmungen in den übrigen EU-Mitgliedstaaten schon liefen, war in Polen in den letzten Tagen sämtliche Wahlagitation verboten. Im polnischen Wahlkampf spielten jedoch Facebook sowie die Internetblogs der Kandidaten die führende Rolle. Eine Unterbindung der Wahlwerbung war deshalb eher illusorisch.
"Wahlstille" hin oder her: In den letzten Tagen dominierte sowieso nicht das Europaparlament die polnischen Medien, sondern eine ganz andere Abstimmung: Vor 20 Jahren - am 4. Juni 1989 - fanden in Polen die ersten halbfreien Parlamentswahlen im ganzen Ostblock statt. Die berühmt gewordene Solidarność trat an und erlangte eine überwältigende Mehrheit. Nach der polnischen Geschichtsschreibung läuteten diese Ereignisse das Ende des Sozialismus in ganz Europa ein.
Eine Ironie der Geschichte, dass fast ein Vierteljahrhundert später freie gesamteuropäische Wahlen keine Begeisterungsstürme im Land hervorriefen. Die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza prognostizierte für die Abstimmung zum Europaparlament eine Beteiligung von lediglich um die 30 Prozent. Die Politik-Apathie ist in Polen so groß, dass man nicht einmal mehr gegen die eigene Regierung protestieren möchte. Ungewöhnlich, dass die Wähler diese Chance in Zeiten wirtschaftlicher Flaute nicht nutzen. Die liberal orientierte Bürgerplattform PO - zurzeit Regierungspartei in Warschau - führte die Umfragen bis zuletzt mit bis zu über 50 Prozent an.
Dies wiederum stachelte den meisterhaften Strategen Jarosław Kaczyński vom Konkurrenten PiS zu Hochformen an. Um die PO doch noch einzuholen, zog dieser den Joker „böse Deutsche“. Die Bürgerplattform von Premierminister Tusk müsse, so Kaczyński, aus der Europäischen Volkspartei (EVP) austreten. Nur dann verhalte sie sich patriotisch. Begründung: In der EVP sei auch die deutsche CDU vertreten. Diese wiederum unterstütze das gegen Polen gerichtete „Zentrum gegen Vertreibungen“. Was soll man dazu sagen ...
Dass der Wahlkampf in Polen besonders in seiner Endphase schmutzig wird, ist eigentlich nichts Neues. So war es schon in den letzten Jahren bei Parlaments- und Präsidentenwahlen.
Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass die Europawahlen in Polen rein innenpolitisch geblieben sind. Wichtige Themen wie der Vertrag von Lissabon wurden gemieden. Eindeutig eine verpasste Chance. Die offensiven Befürworter der EU scheinen im Osten noch immer in Unterzahl. Vielleicht stellen sie auch die Mehrheit. Eine bedächtig schweigende Mehrheit.